Drei Gänge, Bierseligkeit und tiefgreifende Fragen: Unser kleines Blog-Event im Liveticker zum Nachlesen

Gestern Abend ging unser von langer Hand geplantes und doch irgendwie improvisiertes Dinner in privatem Rahmen über die Bühne: Zehn liebe Menschen, drei Gänge,  zwei Köche und ein Ziel: Einen genüsslichen Sonntagabend verbringen.  Nachdem wir nun das Schlachtfeld in der Küche beseitigt haben, lässt sich rückblickend sagen: Wir haben das Ziel erreicht und sehr viel Spaß gehabt. Einiges lief nach Plan, einiges kam sehr überraschend. Noch zirkuliert der Wein durch meine Adern, doch ich wage einen Rückblick: Unser Schlaraffenwelt-Dinner in der Liveticker-Nachlese. Von David Seitz

16:02: Der Maestro M. und sein Sous-Chef D.  beschreiten die Küche und stellen postwendend fest, dass es nicht nur an Zeit, sondern auch an Arbeitsfläche mangelt. Wohnzimmermöbel werden in der Folge umfunktioniert, der (natürlich frisch gewienerte) Küchenboden muss ebenfalls als Ablage herhalten. (Ja, Mutti, du hattest es prophezeit!). Bei der zeitraubenden Kleinschneidearbeit erhalten wir glücklicherweise Hilfe von Mitgastgeberin K., die immer wieder beruhigend einspringen muss, wenn D. in leichte Panik verfällt.

16:20: M. arbeitet in Seelenruhe an der Vorspeise, inspiriert von Rock the Kitchen: Rote Bete-Cupcakes mit Kartoffel-Frischkäse-Frosting. Das inoffizielle Motto des Abends lautet: „Bayrische Klassiker neu  interpretiert.“ Wer sich nun fragt, wo beim Rote-Bete Cupcake der bayrische Klassiker versteckt ist, dem helfen wir gerne auf die Sprünge. Die Cupcake-Basis ist eine vegetarische Form des Fleischpflanzerls.

16:25: D. hat soeben den Schweinekrustenbraten aus seiner Teryiaki-Marinade geholt, in der dieser zwei Tage lang sein Aroma-Bad genommen hatte. Gleichzeitig steigt ihm das Oktoberfest-Bier zu Kopf, der mittägliche Wiesn-Ausflug fordert seinen Tribut. Eine kalte Dusche bringt den nötigen Fokus zurück.

16:35: ALARM! Super-Gau: M. moniert zu Recht, der Pfeffer sei leer. Zur Erinnerung: Es ist Sonntag. Doch, wenn du glaubst es geht nicht mehr, kommt irgendwo ein Türke her. Genauer: Ein kleiner Call-Shop um die Ecke, der auch noch ein Notfall-Repertoire an türkischen Lebensmitteln bereithält UND sonntags auch noch offen hat. Ein Hoch auf die türkische Arbeitsmoral!

16:50: Die ersten Pfefferpartikel rieseln hinein in die grell-pinke Pampe aus Roter Bete, Feta, Semmelbröseln, Lauchzwiebeln und Ei – Entspannung kehrt zurück in der Küche. Im Ofen bekommt der Krustenbraten langsam Farbe, das Bratenthermometer sagt 32 Grad Kerntemperatur, das Timing passt.

17:12: Die lange Tafel im Wohnzimmer steht, der Wochenend-Schlafplatz von J. muss dafür weichen. Etwas unkonventionell stehen runde neben ovalen Tellern, Weingläser neben Sektgläsern, Ikea-Messer neben denen aus Omas Fundus. Später werden wir behaupten, es sei Absicht und Teil des Konzepts.

 17:30: Skeptisch beäugt M. seine Dessert-Kreation. Im warmen Licht der Nachmittagssonne sieht seine Weißbier-Panna Cotta anders aus, als erwartet. War sie beim Probekochen noch als homogene Masse gestockt, hat sich nun eine gelbe Flüssigkeit unter der Sahneschicht abgesetzt. Das Dessert im Glas erinnert frappierend an Pfirsich-Froop. Auch das werden wir später als exakt so gewollt und als hohe Kochkunst präsentieren.

17:42: Das Frosting für die Cupcakes aus Kartoffelbrei, Frischkäse und Ei steht bereit, um als kleines gelbes Türmchen die Veggie-Buletten zu veredeln. Zu unserem Ärger verstopfen Kartoffelstücke unsere Spritztülle, die wir kurzerhand entsorgen. Das geht zwar auf Kosten der Optik, doch da ein Teil der Gäste direkt vom Oktoberfest anreist, hoffen wir, dass der Bier-Blick unsere handwerklichen Mängel nicht entlarvt.

17:59: Ding Dong: Der erste Gast wird direkt mit einem perfiden Cocktail betäubt. Wir reichen Sekt mit Weißbiersirup – wegen des Mottos und auch so, weil es seltsam klingt, aber super schmeckt.

18:15: Gast Nummer 10 vervollständigt die Runde und wir geben den Startschuss zum Essen. Die Cupcakes haben dank der Röstspuren vom Grill letztlich doch ein liebliches Antlitz erhalten. Der Wein, den wir dazu kredenzen ist hingegen gar nicht lieblich sondern trocken, ein Grauer Burgunder Marke „Turmfalke“. Bevor sich nun Weinkenner kritisch äußern: Unsere Auswahl der Weine erfolgte auf einer eher zufälligen Basis. Dass sich niemand in der Runde kritisch äußerte, zeigt also entweder, dass wir voll ins Schwarze getroffen haben, dass wir höfliche Gäste hatten oder solche, die ebenfalls wenig Ahnung von Wein hatten.

18:45: Bombenvorspeise! Ja, in dem Fall loben wir uns gerne selbst.

19:00: Was dem Krustenbraten noch fehlt ist seine Kruste. Deshalb mobilisieren wir nun die volle Kraft des Ofen-Grills und montieren aus dem Bratensatz und mitgegarten Zwiebeln eine abgewandelte Teryiaki-Natursauce. M. stampft Süßkartoffeln zu einem Püree und würzt mit Mango-Chutney, Sojasauce, Sesamöl und Chillis.

19:10: Bier auf Wein, das rat ich dir! Wein auf Bier, das rat ich dir! So ging doch dieser Spruch, oder? Die Gäste mit Wiesn-Background sorgen für allgemeine Erheiterung, es hagelt flache Witze und spritzige Anekdoten allenthalben. Highlight: Der Diskurs über Französisch-Sprecher ohne Sprachbegabung. P. erläutert, wie er erfuhr, das sein Kindergartenfreund gar nicht Ätzchen sondern Etienne hieß.

 19:25: Küche und Köche stoßen an ihre Grenzen und fordern zusätzliche Man-Power an. Auf dem (nach wie vor blitzsauberen) Küchenboden brennt ein Feuerwerk der Anrichtekunst ab. Ein sanfter Hügel aus Süßkartoffelpüree umschmeichelt ein vor Fleischsaft triefendes Stück Braten inmitten eines Meers aus Sauce. J. macht den Spüler, P. den Kellner und wir freuen uns, dass wir unsere Arbeit nun (fast) erledigt haben.

19:47: Allgemeines Gemurmel und Geschmatze, ein gutes Zeichen – auch wenn dem Schweinebraten ein paar Grad weniger gut getan hätten. Der Liter Sauce tut was er kann, um das zu kompensieren. Saucenkasper S. beginnt irgendwann, die Sauce als Suppe zu löffeln.

20:11: Eine steile These spaltet die essende Gemeinde: „Makrele und Forelle ist doch dasselbe,“ sagt A. Nach einem Moment der Stille entbrennt eine erbitterte Diskussion um den Wahrheitsgehalt dieser Aussage, befeuert von Oktoberfest-Restpromille und kühlem Weißwein. Eine überwältigende Mehrheit plädiert auf Falschaussage, die Beschuldigte knickt schnell ein und fügt sich der geballten männlichen Kompetenz.

20:30: Die Mägen sind zum Bersten gefüllt, als M. die kuriose Weißbier-Variation ankündigt. Mit im Gepäck hat er süße Brezn-Stangerl – in Zimtzucker gewälzte Blätterteigstangen und frische(!!) Erdbeeren vom eigenen Balkon. Die gelbe Masse am Fuß des Glases entpuppt sich, wie bereits erahnt, als Weißbiersirup. Der Kreativpreis des Abends geht an M.

21:04: Die Makrele ist keine Forelle, der Kabeljau ist ein jungfräulicher Dorsch und Werder Bremen hat das Sonntagsspiel doch nicht gewonnen. Die essentiellen Fragen des Abends sind beantwortet, bei einigen Gästen hängen die Köpfe tief – der Holzmagnet zieht ohne Erbarmen. Aus zehn werden sechs, die sich nun dem restlichen Wein widmen und eine Fortsetzung des Tickers nicht erlauben würden.

23:30: Ein toller Abend geht zu Ende, vielen lieben Dank euch allen!

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Sylvia
11 Jahre zuvor

20:07 und ich bin wirklich begeistert! Weißbier-Sirup und Weißbier-Panna Cotta, da pfeif ich wohl auf jeden Wiesenbesuch…