„Einfaches, in Gut. Das ist uns wichtig“: Zu Besuch im Oi Mari in Schwabing

In unsere Serie „Munich Food Stories“ portraitieren wir Food-Konzepte, die für uns einen einzigartigen Platz in der Münchner Gastronomiewelt einnehmen. Dieses Mal ist das Oi Mari an der Reihe – ein neapolitanischer Feinkostladen, der mit seinem Saltimbocca, in diesem Fall einem belegten Pizzabrot, in die Hafenromantik eines italienischen Fischerorts entführt.


Italienische Küche ist Teil des kulinarischen Mainstreams geworden. Jeder isst Pizza. Spaghetti Carbonara oder Bolognese sind so einfach, wie genial, dass sie vor allem in den Studentenbuden mindestens zweimal pro Woche auf dem Speiseplan stehen. Oregano und Rosmarin sind Allzweckwürzmittel geworden. In jeder größeren Straße finde ich eine „Pizzaria Italiano“, ein „Restaurante Originale“, „Trattoria Vesuvio“ und wie sie noch alle heißen. Also warum über den Brenner jagen, wenn ich Pasta, Pizza und Co. auch hierzulande essen kann? Durch ein Überangebot vergisst man, wie es eigentlich schmecken kann. Aber dann komme ich mal wieder in den Genuss von Zutaten aus dem Land am Mittelmeer und merke: Es gibt sehr wohl einen Unterschied!

Das jüngste Ereignis, bei dem ich diese Erfahrung machen durfte, ist mein Besuch in einem kleinem neapolitanischer Feinkostladen in der Georgenstraße München gewesen: Das Oi Mari.

Von neapolitanischer Gemütlichkeit, bunten Konserven und dem Hang zur Dramatik

Sofort, als ich eintrete, werde ich herzlich von Michele und Annette Germeno begrüßt. Sie empfangen mich, als würde ich seit Jahren kommen. Der Italiener und die gebürtige Regensburgerin schaffen es schnell, mich den grauen Wintertag vor der Tür vergessen zu lassen. Innen ist es warm und gemütlich, aber nicht kitschig. Es dauert keine 10 Minuten, bis mir ein Espresso hingestellt wird; der Cafe kommt von zweierlei Originalen: Einem Italiener und seiner Pavoni Kaffeemaschine – nennt mir ein ikonischeres Duo! Aus versteckten Lausprecher höre ich Musik. Ein italienischer Sänger legt sich ordentlich ins Zeug, das kleine Geschäft mit seinen melancholischen Canzones zu beschallen. „Oh Mari!“, singt er. Ein altes, neapolitanisches Lied über Liebe und Sehnsucht. Michele kennt es seit seiner Jugendzeit. Irgendwie blieb es hängen und ist zum Namenspaten für das Feinkostgeschäft geworden.

Das Oi Mari ist auf den ersten Blick nicht ganz einfach einzuordnen. Auf Regalen türmen sich italienische Speisen: Salsa di Pomodoro in bunten Konservendosen, die aussehen, als stammen sie aus den 60er Jahren. Knusprige Cantuccini, original italienische Pasta, Panettone, Sambuca, Limoncello von der Amalfiküste – so ziemlich alles, was ich sehe, kommt aus seiner Heimat in der Nähe Neapels. Der Rest zumindest aus Italien. Egal, welches Etikett ich betrachte, überall lese ich Italienisch. Dafür erklären mir kleine Schildchen, was ich sehe und wo es herkommt. „Antipasto aus dem italienischen Süden – dazu ein gutes Brot!“ „San Marzano Tomaten aus Kampanien – die gehören in jede Speisekammer!“ „Blütenhonig – Man schmeckt die ätherischen Öle der Alpenflora heraus.“ Alles wirkt liebevoll zusammengestellt und besonders. So, als greife ich nicht in ein Regal, sondern in die Lade eines italienischen Marktstandes.

Daneben steht eine gläserne Auslage mit Süßspeisen und einer Auswahl an Salaten. Außerdem gibt es eine kleine Theke, an der die beiden einige frische Gericht verkaufen; unter anderem eine Spezialität aus den Fischerorten an der neapolitanischen Küste: Das Saltimbocca.

Saltimbocca – Ein Brot das gegessen werden will

Wer das italienische Saltimbocca kennt, denkt zuerst an Kalbsfleisch, das mit Prosciutto und Salbei garniert in der Pfanne knusprig gebraten wird. Tatsächlich bezeichnet das Wort in der Gegend um Neapel ein längliches Brot aus Pizzateig, das mit frischen oder gegrillten Zutaten belegt und warm gegessen wird. „Saltimbocca“, das heißt so viel wie „Spring in den Mund“ und ist für das belegte Weißbrot mehr als passend.


„Die anderen Jungs und ich haben es früher immer nach dem Baden im Meer gegessen.“, erzählt mir Michele ein wenig melancholisch. Ihn erinnert das Brot an seine Heimat und Jugendzeit. Von seiner Theke aus verkauft er die ganz ausgezeichneten Saltimbocca-Brötchen, die mit gebratenem Mozzarella, Prosciutto, Tomaten oder Aubergine belegt sind und vor dem Verzehr einmal kross getoastet werden. Beißt man in Micheles Saltimbocca, das in einem ziemlich bescheidenen Kleid daherkommt, wird man überrascht: Das Pizzabrot ist unglaublich kross und bildet eine milde geschmackliche Grundlage, während der saftige Mozzarella und die angegrillten Tomaten zwischen den Brothälften einem auf der Zunge schmelzen.

Auch der Teller, auf dem mir das Brot serviert wird (nicht der auf dem Foto – das habe ich später zu Hause gemacht) passt ins Gesamtkonzept, denn auch er ist Italiener. Weitere Teller ähnlicher Machart stapeln sich in einer Ecke des Raumes. „Tell her with a plate“ steht darüber in großen Lettern. Das Label haben die beiden gegründet. In der Gegend um Neapel gibt es viele kleine Keramikhersteller. Annette und Michele sind die italienischen Originale aber zu knallig. Doch auf das italienische Geschirr ganz verzichten wollte sie auch nicht. Der Kompromiss: Die eigene Produktion. Die beiden haben lange gesucht, bis sie einen Betrieb gefunden haben, der die Einzelstücke so herstellt, wie die beiden sich das vorgestellt haben. Ihr Geschirr trägt eine feinere Handschrift und zeigt Blüten und Tiermotive. Jedes ist ein Einzelstück und von Hand gefertigt. Fun Fact: Dasselbe Unternehmen ist auch mit der Restauration der Domkuppel in Amalfi betraut worden.

Frische Salate-Kreationen mit fruchtigen Kombinationen

Neben dem Saltimbocca, das an für sich schon ein Grund ist, zum Wiederkommen, bieten die beiden auch eine Handvoll verschiedener Salate an. Seinen echten Caprese, bereitet er zu, wie bei sich daheim: ohne Essig und Balsamico. Die Tomaten kommen von einem Händler seines Vertrauens, der Mozzarella aus Kampanien und das Bio-Olivenöl von den Hängen Apuliens. Eine andere Salat-Variante „Oi Mari“, benannt nach dem Feinkostladen selbst, lockt mit frischen Sommer-Aromen: Blutorange, Tomate, Mozzarellini; garniert mit Lavendelöl und Koriandersamen.


„Andere Leute können gut Fußballspielen, ich habe ein Gefühl dafür, wie verschiedene Zutaten zusammenpassen könnten. Ich probiere so lange herum, bis es mir schmeckt.“, erklärt Michele. Zuerst testet er die Kombinationen in der Familie und oder Freunden aus, bevor er sie seinen Kunden anbietet.

„Bis jetzt hab ich es immer geschafft, den Geschmack der Leute zu treffen.“, schmunzelt Michele. Ich löffle seinen traditionellen Caprese und kann bestätigen, dass der selbstbewusste Italiener nicht über die Stränge geschlagen hat. Die Tomaten sind saftig und haben einen wunderbaren Eigengeschmack, etwas, was man in den meisten Märkten vergebens sucht. Der Mozzarella ist cremig und vermutlich der beste, den ich je gegessen habe. So muss Italien schmecken!

Das Oi Mari – Ein Stückchen Neapel mitten in München

Michele kommt aus dem Ort Vico Equenze an der Neapolitanischen Küste. Was früher ein kleiner Fischerort war, ist heute mit einer Handvoll ansässigen Sternerestaurants zu einem wahren Food-Mekka für süditalienische Küche geworden. Die Nähe zum Meer und zum Gebirge. Das ist es, was seine Heimat für Michele so besonders macht. Der Fisch wird dort morgens frisch aus dem Wasser gezogen. Früchte, wie Zitronen und Orangen wachsen nicht weit von der Küste. Das Olivenöl kommt von den Hängen hinter der Stadt. Die Menschen in seiner Heimat leben von dem, was die Region hervorbringt und schätzen diese Produkte deshalb umso mehr. Diese Liebe zu den Zutaten wollen Annette und Michele in München an den Mann bringen.

Der Gedanke, ein Stück Micheles Heimat nach München zu bringen ist den beiden schon länger durch den Kopf gegeistert. Die letztendliche Umsetzung des Traumes schafften die beiden im November 2020. „Wir haben gesehen, dass der Laden frei ist und dann haben wir zugeschlagen.“, erzählt Annette.

Experimentierfreudigkeit trifft auf italienische Klassiker

Für den Samstag überlegen die beiden sich immer ein ganz besonders ausgeklügeltes Geschmackskreationen. Ein Beispiel: Altamura Brot aus Apulien. Das besondere Mehl aus italienischen Hartweizensorten, das bei der Zubereitung verwendet wird, gibt ihm einen nussig-blumigen Geschmack und seine charakteristische gelbe Farbe. Der Lievito Madre, ein besonders milder Sauerteig mit Honig und Olivenöl, verleihen dem Brot dazu eine leichte Süße. Michele bereitet es mit gegrillter Paprika oder einer Trüffelsauce zu. An einem anderen Wochenende überrascht er seine Kundschaft mit eigenen Kreationen wie Linsensuppe mit Maronen oder Salsiccia; Kartoffelsuppe verfeinert mit dem Aroma von Kamillenblüte und Trüffelöl.

„Koch ist ein großes Wort, ich habe mir das Meiste bei meiner Mutter abgeschaut. Sie hat eigentlich den ganzen Tag gekocht.“ Das gemeinsame Essen war in Micheles Familie schon immer ein wichtiger Teil. Vor allem sein Vater hat darauf bestanden, dass es immer etwas Warmes gab. „Zwei Mal am Tag. Drei Gänge. Da gab es keine Diskussion. Das Ergebnis sieht man an mir.“ lacht Michele. Den Humor hat der Italiener auch fern von seiner Heimat nicht verloren.

Einfachheit und Liebe zum Detail

„Ich würde nicht sagen, dass wir etwas besser machen als andere; aber wir machen es anders.“, sagte Michele dazu. Ich lasse den Blick durch den Ladenraum des Oi Maris schweifen und verstehe, was Michele damit meint. Die Einrichtung ist schlicht, aber gemütlich, lässt Platz für Gedanken und lenkt nicht von dem ab, um was es eigentlich geht: Hochwertige Produkte, die sich nicht hinter großen Namen verstecken brauchen, sondern einfach das sind wie sie sind – eine ausgezeichnete italienische Tomatensoße oder ein Mozzarella mit hervorragendem Geschmack.
„Einfaches, in Gut. Das ist uns wichtig.“, fasst es Annette zusammen.

Im Oi Marì kauft man nicht einfach irgendwas. Man kauft einen Teller von einem italienischen Handwerker, der seine Arbeit liebt; einen Wein von einem Familienbetrieb, der jedes Jahr nur ein paar Tausend Flaschen abwirft, oder eben das Saltimbocca, wie es Michele selber in seiner Kindheit gegessen hat. Es geht um die vielen kleinen Geschichten hinter dem Essen, die einem Annette und Michele liebend gerne erzählen, wenn man sich die Zeit dafür nimmt.

„Weißt du, das sind Gefühle, das ist Poesie. Das ist es, was wir den Leuten vermitteln wollen.“, schließt der Italiener ab. Ob man nun in das Oi Mari geht, um hochwertige Zutaten zu kaufen, sich beraten zu lassen, oder einfach neue Inspirationen für Kochen zu sammeln, man wird nicht enttäuscht. Im Gegenteil: Man findet das, was man will, aber auch einiges, von dem man gar nicht gewusst hat, dass man es wollte. So geht es zumindest mir, als ich Annette und Michele verlasse, mit italienischem Nougat und einem guten Vino Frizzante im Gepäck.

Habt ihr Lust bekommen auf Micheles Salatkreationen oder das neapolitanische Saltimbocca? Das Oi Mari, zwei herzliche Menschen und unglaubliche schmackhaftes, italienisches Essen findet ihr in der Georgendstraße 103, München:


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