Alle unbelehrbaren Banausen, die noch immer nicht auf ihr neon-orange gefärbtes Schweinenackensteak zum Sonderpreis verzichten können: Dieser Artikel wird euch enttäuschen, befremden und überfordern. Alle Grillfans, die mit Neugier und etwas Mut an den Grill schreiten UND bereit sind, mehr als 3 Euro pro Steak auszugeben: Bitte hier entlang!
Genuss-Trend Nose-to-Tail
An einem Rind oder einem Schwein hängt naturgemäß mehr als nur ein Filet, eine Lende und ein Entrecote. Die Nose-to-Tail-Bewegung, angeführt von Visionären wie Fergus Henderson, versucht das Bewusstsein für einen ganzheitlichen Umgang mit dem Nahrungsmittel Fleisch bereits seit Jahren in den Köpfen von Gourmets zu verankern. Ziel ist es einerseits, dem Tier als Lebensmittel mehr Respekt entgegen zu bringen. Es wäre „unanständig“ – so Henderson – ein Tier nicht von Kopf bis Fuß zu verspeisen, das für den Genuss einiger weniger gestorben ist. Das ist die moralische Komponente von Nose-to-Tail. Dass aus dieser moralischen Motivation heraus nun Scharen von Bürgern plötzlich Hirn und Leber mögen, kann ich mir nicht vorstellen.
Leichter zugänglich scheint mir die kulinarische Seite der Nose-to-Tail-Bewegung. Einfach mal etwas Ungewöhnliches Grillen! Geschmack und Textur der Standardstücke Rinderfilet & Co. sind den meisten Fleischessern bestens vertraut. Dass jenseits davon, tief drinnen im Rind und im Schwein, echte Delikatessen schlummern, wissen leider die wenigsten Fleischliebhaber. Gerade deshalb ist es schön zu sehen, dass sich zur Grillsaison 2016 immer mehr innovative Metzgereien und Online-Shops der Nose-to-Tail-Bewegung anschließen. Da tauchen plötzlich Fleischstücke auf, die bislang kaum ein Griller auf dem Zettel hatte. Wir haben Fleisch-Pionier Dirk Ludwig gebeten, uns seine Grill-Trends für 2016 zu verraten, die wir nun in loser Folge hier vorstellen werden.
Das Onglet aka. Hanging Tender aka. Nierenzapfen
Das Onglet ist ein Teil aus dem inneren Bauchraum des Rinds, der sogenannte „Nierenzapfen“ – ein Stützmuskel des Zwechfells, in den USA meist „Hanging Tender“ genannt. Tender ist dabei das richtige Stichwort, denn wer zum ersten mal ein Onglet gegessen hat, wird sich vermutlich fragen, wie ein derart zartes Stück Fleisch ihm so lange verborgen bleiben konnte. Wie im Bild oben zu sehen, ist das Onglet kein mageres Stück Fleisch. Viele kleine und mittelgroße Fettadern durchziehen den Muskel, was den besonderen Geschmack ausmacht. Ein gutes Onglet erinnert in seiner Konsistenz an Rinderfilet, schmeckt dabei aber weitaus intensiver nach Rind. Das kann unter Umständen so extrem sein, dass es zarten Gemütern zu viel des Geschmacks ist. Die Meinung vom Experten Dirk Ludwig: „Mein absolutes Lieblingssteak“.
Essentiell ist allerdings, dass man das Fleisch zuvor richtig pariert – wie hier zu sehen. Eine deutlich erkennbare Fett- und Sehnenschicht überzieht das Onglet im unbearbeiteten Zustand. Entweder man bittet den Metzger, diese Schicht abzulösen oder man erledigt das selbst. Anschließend wird das Onglet an der Mittelsehne durchtrennt – jetzt ist es bereit für Grill oder Pfanne.
Dirk Ludwig empfiehlt, das Onglet medium rare zuzubereiten – so behält es seine zarte Textur und bewahrt ein Höchstmaß an Saftigkeit. Selten ist ein Onglet dicker als 2,5 Zentimeter, deshalb eignet es sich ideal zum Kurzbraten und Grillen. Bei extremer Hitze kurz arosieren und dann bei indirekter Hitze fünf Minuten ziehen lassen. Durch seinen hocharomatischen Geschmack braucht es nicht mehr als Salz und Pfeffer als Begleiter. Auch empfehlenswert: Ein Schuss hochwertiger Essig und einige Frühlingszwiebeln wie bei diesem Onglet-Rezept.
Onglet Sous-vide
Die ideale Kerntemperatur für ein Onglet beträgt 55 Grad. Zugegeben, auf dem Grill ist es schwer, diese Kerntemperatur exakt zu erreichen. Möglich wird das, wenn man Grillen mit Sous-vide-Garen verbindet – eine Kombination, die sich ebenfalls zu den Grill-Trends 2016 zählen lässt. Das Fleisch wird dabei in einem Wasserbad vorgegart und auf die gewünschte Kerntemperatur erhitzt. Auf dem Grill muss es nun lediglich mit rauchigen Röstaromen versehen werden. 30 Sekunden von beiden Seiten reichen bei voller Gluthitze völlig aus – im Inneren hat das Fleisch ja bereits seinen perfekten Garpunkt erreicht. Das sorgt nicht nur für einen optimalen Gargrad bei hochwertigem Fleisch, sondern kann das Grillen ungemein entstressen, gerade bei mehreren Gängen.
Bestellen kann man Onglet vom US-Beef zum Beispiel hier im Online-Shop.
Disclaimer: Das Fleisch wurde bereitgestellt von Der Ludwig. Unsere Meinung und Berichterstattung bleibt davon unberührt.
Ob das schön zu sehen ist, dass Onglet und Co. immer populärer werden? Zweischneidig, denn wer schon länger wusste, dass es jenseits von Filet und Roastbeef viel mehr gibt, der konnte auch gutes Geld sparen. Aber mit der immer größer werdenden Nachfrage nach den „amerikanischen“ Zuschnitten usw. steigt naturgemäß nicht nur die Nachfrage …