Neun verblüffende Fakten über Pilze: Im Wald mit Felix Schneider und Peter Kunze

Der Wald im Herbst ist für mich mit jedem Jahr ein bisschen mehr eine große aufregende Experimentierwiese. Mit jedem Jahr wächst mein Wissen darüber, welche kulinarischen Potentiale in Kräutern, Pilzen, Samen und Nüssen stecken, und weil speziell das Pilzesammeln eben „nur“ ein raumeinnehmendes Hobby ist und keineswegs zu meinem Beruf gehört, bleibt auch für die kommenden Jahre genug Luft nach oben für neue Entdeckungen. Allerdings – das muss ich sagen – steigt mit jedem Wissenzuwachs auch der Wunsch, noch tiefer einzutauchen in die Welt der Speisepilze, Wild- und Heilkräuter – doch die Recherchemöglichkeiten (speziell online) sind begrenzt. Diverse Online-Lexika listen zwar nahezu jede erdenkbare Pflanze auf, jedoch ohne Anspruch auf Verlässlichkeit, Vollständigkeit oder gar eine Einordnung in die ökologischen Zusammenhänge des Waldes.

Geradezu riesig war deshalb die Freude darüber, dass das KERN (Kompetenzzentrum für Ernährung) im Rahmen der Genussakademie Bayern einen Jäger & Sammler Kurs anbot, mit zwei Koryphäen im Feld der Naturküche: Felix Schneider, Chefkoch im Sosein** und Peter Kunze – Biologe mit kulinarischem Fokus („Foodscout“ würde eigentlich besser passen.) Die Idee: Einen halben Tag lang zusammen mit den Profis den Wald nach Essbarem durchforsten und anschließend über die Verwendung von Samen, Beeren, Pilzen und anderen Wald & Wildprodukten diskutieren. 7 Stunden lang das kulinarische Wissen zweier Menschen anzuzapfen, die sich mit meinem Hobby beruflich beschäftigen: Für mich eine einmalige Chance, auch wenn sie einen stolzen Preis hatte. Heute, etwa zwei Wochen später, sind bei mir unter anderem diese 10 – ziemlich zusammenhangslosen, aber bereichernden – Fakten hängen geblieben:

Steinpilz im perfekten Sammel-Stadium

Der Begriff „ungenießbar“ bei Pilzen ist oft irreführend

Wie oft habe ich in Pilzbüchern den Begriff „ungenießbar“ gelesen und damit diesen Pilz für immer und ewig von meinem kulinarischen Radar verbannt? Felix Schneider gibt – zurecht – zu bedenken, dass diese Klassifizierung in vielerlei Hinsicht irreführend sein kann. Denn: Giftig ist dieser Pilz schon einmal nicht und die geschmackliche Einordnung beruht auf der Wahrnehmung des Autors. Oft werden Pilze mit extremen Aromen (sehr scharf, bitter, sauer) in Pilzführern als ungenießbar eingestuft, obwohl sie mit ihren spezifischen Aromen ein Gericht sehr gut akzentuieren können. Dass ein bitterer Pilz eine Mischpilzpfanne ruinieren kann, bleibt unbestritten. In Kombination mit anderen Zutaten, ganz bewusst eingesetzt, kann eine bittere, saure oder scharfe Note aus einem Pilz für den besonderen Reiz einer Mahlzeit sorgen. Felix Schneider nennt als Beispiel den Pfefferröhrling, der mit seiner intensiven Pfefferschärfe gerne als ungenießbar eingestuft wird, während andere ihn als delikaten Würzpilz schätzen. Dennoch: Pilz-Einsteiger sollten sich erstmal von Täublingen und grundsätzlich von Lamellenpilzen fernhalten, denn hier lauert immense Verwechslungsgefahr.

Pilzsammlerregel für Einsteiger: Nur Röhrlinge ohne Rotanteil

Ich tue mir oft schwer, Pilz-Neulingen zu erklären, an welche Grundregeln sie sich beim Sammeln halten können. Peter Kunze und Felix Schneider bringen das so auf den Punkt: Zum Einstieg sollte man nur Pilze mit Röhren sammeln und zudem solche, die keinen Rotanteil aufweisen. So kann man sichergehen, dass man sich keine schwere Vergiftung zuzieht. Es gibt in dieser Gruppe zwar auch einige weniger wohlschmeckende Pilze, allerdings sehr viele gute Speisepilze und eben keine schwere Vergiftungsgefahr. Ins Reich der Lamellen-Pilze wagen sich erst fortgeschrittene Pilzsammler, denn dort ist eine detaillierte Differenzierung notwendig, um Pilze mit potentiell tödlichem Gift auszusortieren.

Die meisten Pilzvergiftungen stammen nicht von Giftpilzen

Biologe Peter Kunze erklärt: Die meisten Vergiftungsfälle von Pilz-Mahlzeiten gehen nicht auf per se giftige Pilze zurück, sondern auf zu alte Exemplare ehemaliger Speisepilze. „Das Eiweiß von Pilzen ist fragiler als das von Fisch oder Huhn,“ sagt Felix Schneider. Alte, matschige Pilze beginnen schon mit der Verwesung, obwohl sie noch aufrecht stehen. Dabei können Giftstoffe entstehen, die beim Konsum zu Vergiftungserscheinungen führen. Der Rat der Profis: Nur junge, knackig feste Exemplare von Speisepilzen mitnehmen – die schmecken am besten und sind gefahrlos zu konsumieren.

Selbst gesammelte Pilze darf man nicht verkaufen

Das hat mich überrascht: Weder als Privatperson noch als Restaurant darf man selbst gesammelte Pilze verkaufen. Sammeln ist nur für den Eigengebrauch gestattet. Wenn ein Restaurant also selbst gesammelte Pilze auf die Karte setzen will, muss es diese Pilze zuerst an einen zertifizierten Händler verkaufen und dann zurückkaufen, der die Pilze „marktfähig“ macht. In Bayern ist das zum Beispiel die Familie Zollner aus Bruck in der Oberpfalz, die auch mit einem Stand auf dem Münchner Viktualienmarkt vertreten ist. Ob sich alle Privatleute und Restaurants daran halten, bezweifle ich, dennoch steht es genau so im Gesetz.

Deutschland ist ein Trüffelland – nur das Sammeln ist verboten

Seit der NS-Zeit ist das Sammeln von Trüffeln in Deutschland verboten. Dennoch ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass auch in Deutschland unzählige Trüffel-Arten gedeihen, speziell in Arealen mit Bewuchs von Haselnussbäumen, Hainbuchen und Eichen. Auch wir entdecken auf unserem Waldspaziergang einen gelben Wurzeltrüffel. Der ist unscheinbar und auch kulinarisch nicht vergleichbar mit den Edel-Trüffel, aber man könnte ihn durchaus in der Küche verwenden – wenn das Sammeln nicht untersagt wäre, erklären Schneider und Kunze. Kurzum: Deutschland – so zumindest die starke Vermutung – ist reich an Trüffeln. Dass Deutschland die geologischen Gegebenheiten zu haben scheint, zeigen diverse Initiativen, die auf privatem Grund Trüffelplantagen erschaffen wollen.

Eine Krause Glucke wächst meist an Bäumen, die leicht angeschlagen sind – z.B. durch einen Blitzeinschlag.

Wo wachsen Pilze? An lichten Orten und Grenzen.

Auf die Frage, woran man potentielle Pilzfundstellen erkennt, geben die Experten zwei interessante Hinweise, die mir so nicht bewusst waren. Erstens: Pilze wachsen am liebsten dort, wo wenig Wachstumsdruck durch andere Pflanzen herrscht – also an Stellen, an denen der Waldboden nicht von Büschen, Sträuchern oder anderen platzeinnehmenden Pflanzen überwuchert ist. Dort, wo wenig Konkurrenz am Boden herrscht, fällt mehr Licht auf den Boden und die Pilze haben es zudem leichter, ihre Fruchtkörper an die Oberfläche zu drücken. Zweitens: Pilze wachsen auffallend oft an Grenzen. Was das heißt? Dort, wo sich die Bodenstruktur oder die Vegetation ändert, ist das Pilzaufkommen besonders hoch. Beispiel: Wegränder, Übergänge von Laub- zu Nadelwald.

Die Frucht des Pilzes

Was viele Einsteiger noch nicht wissen: Das, was wir im Wald pflücken, ist im Grunde nicht der Pilz, sondern nur seine Frucht, die er austreibt, um seine Sporen zu verbreiten. Der eigentliche Pilz ist ein Organismus, der sich in Form eines Geflechts (Myzel) über weite Strecken des Waldbodens erstreckt und an geeigneten Orten seine Fruchtkörper zur Sporenabgabe aus dem Boden treibt. Nur so kann sich ein Pilz vermehren und mit den federleichten Sporen auch Distanzen überwinden.

Steinpilz im Moos. Durch moosbewachsenen Boden können sich Pilze hindurchdrücken.

Wie lange existiert ein Pilz?

Nehmen wir den Steinpilz als Beispiel: Von dem Moment, an dem er aus dem Boden tritt, bis zu seiner Verwesung dauert es etwa 10 Tage bis zwei Wochen. Die optimale Wachstumsphase einen Pilzes abzupassen – dann, wenn er gerade jung und knackig ist, ist also eine Frage extrem guten Timings. Dabei hilft es, zu verstehen, wann Pilze wachsen und wann nicht.

Wann wächst ein Pilz?

Ein Pilz treibt seine Fruchtkörper immer dann aus, wenn die besten Chancen bestehen, dass seine Sporen auch tatsächlich zu keimen beginnen. In langen Trockenperioden wachsen daher keine Pilze, selbst wenn sie unter der Erde, wo das Myzel liegt, genügend Feuchtigkeit zur Verfügung haben. Würde der Pilz in einer solchen Phase wachsen, könnte er sich nicht weiterverbreiten. Pilze wachsen meist dann, wenn auf eine warme, trockene Periode viel Regen fällt. Das feucht-warme Klima am Waldboden ist die ideale Ausgangslage für eine erfolgreiche Abgabe der Pilzsporen. Eigentlich ganz logisch: Wie auch Schimmel(pilze) fühlen sich alle Pilze unter diesen Bedingungen besonders wohl. Sind diese Bedingungen nicht gegeben, kann ein Pilz wochenlang „On Hold“ verharren und auf ideale Wachstumsbedingungen warten – der Pilz stirbt dabei nicht ab. Wenn im Herbst lange Trockenperioden vorherrschen, „explodiert“ beim nächsten Regen der Wald regelrecht vor lauter Pilzen.

Disclaimer: Alle Angaben ohne Gewähr. Bei Unsicherheiten bitte immer eine Pilzberatungsstelle aufsuchen. Ich übernehme keinerlei Haftung für die in diesem Artikel gemachten Angaben.

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