Restaurantnotizen ist die Rubrik für noch warme Gedanken, direkt nach der Rückkehr vom Essen. Als Gedächtnisstütze für uns und zum Teilhaben für unsere Leser – ohne Anspruch auf Vollständigkeit und Hochglanz-Fotos. Heute: Ein spontaner Trip von Spanien rüber nach Frankreich. Ziel: Ein Bauernhof, auf dem erstaunlich ambitioniert gekocht wird.
Warum waren wir hier essen?
Nach zwei Tagen Stadt-Erkundung in Bilbao zieht es uns ins Umland. Ich mag es, während eines Städtetrips auch die Umgebung in einem Radius von 50-100 Kilometern kennen zu lernen. In Bilbao ist man fast am Meer, aber eben nicht ganz. Daher unser Ziel: Raus an die Küste und dann einfach mal in Richtung Frankreich. Das macht mir dann am meisten Freude, wenn ich schon ein kulinarisches Ziel vor Augen habe. Direkt hinter der Grenze entdecke ich bei Google Maps dieses Restaurant, das – dem Namen nach zu urteilen – zu einem Bauernhof gehört. Die Bewertung ist für die schiere Menge an Rezensionen extrem gut und die Bilder versprechen regionale Küche mit kreativem Einschlag. Einen Versuch wert!
Was verspricht die Karte?
Das Menü klingt wenig nach Bauernhof – mehr nach gehobener Küche und doch sind viele der Zutaten bei genauerem Hinschauen wohl direkt vom Gelände. Kürbise, Feigen, Tomaten und Kräuter erspähen wir schon beim Ankommen im Garten. Dazu finden sich allerlei unkonventionelle aber nicht exotische Produkte wieder: Zum Beispiel Entenherzen, Stabmuscheln, Thunfisch-Speck, eingelegte Pfifferlinge. Für die Lage – mitten im Nirgendwo im spanisch-französischen Grenzgebiet – wirkt das alles sehr ambitioniert und kosmopolitisch. Das kann aufregend sein, oder erzwungen. Wir sind gespannt und bestellen einmal alle Vorspeisen und keinen Hauptgang, weil die Starter allesamt spannender klingen.
Unsere Gänge im La Ferme Ilharregui
Amuse Geule
Als Amuse Geules gibt es getrockneten Thunfischbauch, der wie ein Schinken auf einer Rote Bete Mousse serviert wird. Fettig, cremig und sehr überraschend. Dieses besondere Stück vom Thunfisch findet man außerhalb der japanischen Küche sehr selten. Ich hätte es gerne als Hauptgang gehabt.
Als zweite Begrüßung werden dünne Teigfladen aus Mais mit einer Käsecreme serviert. Wie wir nachlesen, eine Spezialität der Region, modern interpretiert. Kein geschmackliches Feuerwerk, aber eine kleine, charmante und gut abgeschmeckte Referenz an die Gegend. Schön!
Pilz-Tartelette mit Pilz-Eis
Wenn die Karte Pilze bietet, muss ich sie bestellen. Das kleine Törtchen aus Mürbteig ist belegt mit einer Farce aus Champignons, darauf eingelegte Röhrlinge und Trompetenpfifferlinge. Kleine Kleckse aus wachsweichem Eigelb (à la Onsen-Ei) liefern cremigen Schmelz zum etwas trockenem aber wohlschmeckenden Galette-Boden. Stimmig wird das wieder mit dem Eis, das klar und süß nach Champignons schmeckt. Einzeln verkostet nicht 100% mein Ding, wirkt das auf einer Gabel verbunden dann aber sehr stimmig und rund. Es ist die volle Ladung Pilz. Nicht besonders komplex, aber mundfüllend und süffig.
Stabmuscheln, Sepia und Melone
„Wahnsinnig viel los hier“, sagt Terese bei der ersten Gabel. Der Teller ist das Gegenteil vom Pilzgang. Süße, Säure, Salz, Frucht, Gemüse, Crunch und Cremigkeit sind an der Grenze zur Überforderung zusammengebracht, aber nachdem man sich einmal auf dem Teller orientiert hat und einzelne Komponenten bewusster kombiniert, ist das Gericht sehr reizvoll. Mal Wassermelone mit Stabmuschel auf der Gabel, dann Sepia mit Kohlrabi und Buchweizen, dann Cantaloupe mit Pesto. Es ist ein Teller, den man locker auf drei Gerichte hätte aufteilen können. So gibt’s viel zu sehen und zu erleben und am Ende bleibt ein gutes Gefühl von Harmonie trotz etwas diffusem Ensemble.
Entenherzen mit Orangen-Butter
Ein absoluter Kracher! Rare gebratene Entenherzen, die zart auf der Zunge schmelzen, mit einer noch schmelzigeren Sauce aus Orange, Calamansi und viel Butter. In der Verbindung adstringierend und voll fleischigem Umami, ist das nicht weniger aus ein Teller zum Auslecken. Die liebevoll tournierten Möhren und Kartoffeln sind ebenfalls sehr gut gegart und gewürzt, sodass sie nicht „stören“. Ein Teller, den ich unbedingt nachkochen möchte. Entenherzen hatte ich bisher noch gar nicht auf dem Radar. Dafür liebe ich solche Restaurantbesuche.
Rindertatar mit Trüffel
Ein Gericht, bei dem ich immer skeptisch bin. Zu oft habe ich Rindfleisch mit synthetisch übertrüffelten Majonnaisen gegessen. Das hier ist eine andere Hausnummer: Rindfleisch, gehobelter Trüffel und dazu eine Reihe herrlicher Ergänzungen, die sich allesamt harmonisch einfügen: Leicht gesüßter Senfkaviar, frische Kräuter, gepickelte Schalotten und cremiges Eigelb. Das frappierende: trotz intensiver Begleiter kommt das hervorragende Fleisch durch. Eines der besten Carpaccios seit langer Zeit und endgültig die Erkenntnis, dass die Köche hier ihr Handwerk verstehen.
Kürbis-Eis und Haselnuss-Tartelette
Dessert muss dann auch noch sein – und es ist ein sehr saisonales. Aus jeder Pore dieses Ganges schreit es „Herbst““. Das Kürbiseis ist dezent gesüßt und kaum über die kürbiseigene Süße gewürzt. Das Tartelette bleibt ebenfalls sehr erdig und dumpf, sodass man sich etwas mehr Kante in Form von Säure-Süße Kontrast wünscht. Handwerklich jedoch hervorragend und ein weiterer Gang der Kategorie unkonventionell.
Fazit La Ferme Ilharregui
Auch wenn sich die einzelnen Beschreibungen teils auch kritisch lesen: Im Gesamterlebnis kann ich La Ferme Ilharregui absolut empfehlen – gerade für Genießer, die lokale Zutaten und inspirierende Küche suchen. Keiner der Gänge las sich beliebig und die kleinen Abstriche sind mehr meinem persönlichen Geschmack geschuldet. Wer ib absehbarer Zeit, den südlichsten Atlantik-Zipfel Frankreichs zu besuchen plant, sollte sich diesen Ort direkt bookmarken.