Ingmar Jaschok und der Bornwiesenhof: Landwirtschafts-Marketing in Perfektion

Ingmar Jaschok schaut zufrieden auf seine Schweine-Herde, die gerade nach draußen gekommen ist. In der prallen Mittagssonne schlagen sie sich die Bäuche voll. Aus der breiten Rinne am Ende ihres Freilaufstalls saufen sie Molke – ein „Abfallprodukt“ aus der hofeigenen Milchwirtschaft. „Genau das ist für mich Demeter-Standard,“ sagt der 28 Jahre alte Landwirt und meint damit das Gesamtbild, das sich ihm am Schweinestall bietet. Strohauslage im Inneren, ein überdachter Rückzugsbereich. Ein Freiluftbereich, der den Schweinen immer offen steht. Gesundes Futter ohne Gentechnikzugabe. Bald auch noch eine Schweineweide.

Demeter aus Überzeugung

Die Auflagen, denen sich Demeter-Bauern unterwerfen, sind die höchsten deutschlandweit. Kein anderes Siegel verpflichtet zur Einhaltung derart vieler Richtlinien bei der Erzeugung und Verarbeitung von Lebensmitteln. Die Liste beginnt beim Einsatz der Düngemittel über Restriktionen bei Tier- und Pflanzenzüchtung bis hin zum großen Kapitel der Tierhaltung. „Wesensgemäß“ ist der Begriff, der in der Demeter-Sprache das ausdrückt, was bei „artgerecht“ oft inflationär überspannt wird. Haltung, Fütterung, Transport, Heilmethoden und Zucht werden vom Demeter-Standard nicht nur berührt, sondern streng definiert.

Ingmar Jaschok ist Demeter-Landwirt aus vollster Überzeugung, genauso wie sein Vater und seine Mutter. „Die wollen das hier genau so, da kam nie was anderes in Frage,“ sagt er. Wo andere Einschränkungen sehen, erkennen die Jaschoks die Grundpfeiler ihrer eigenen Vorstellungen – zumindest in den meisten Fällen. Die Demeter-Bestimmungen sind extrem kleinteilig. „Manches wirkt schon fast esoterisch,“ erzählt Ingmar und lacht, doch er sieht in nahezu allen Regeln des Kodex einen Sinn fürs Gesamtsystem. Und das Gesamtsystem erzeugt in seinen Augen drei Dinge: Maximales Tierwohl, einen verantwortungsbewussten Umgang mit den gegebenen Ressourcen und am Ende eine unerreichte Produkt-Qualität.

Wir sind hinauf gelaufen zur Anhöhe hinter dem Hof, wo Border Collie und Bauer gerade die Kühe von der Weide holen. Der Blick in die hügelige Landschaft ist fast kitschig schön. Außer dem Bornwiesenhof sieht man im 360- Grad- Panorama nur zwei andere Häuser. Im Vorbeigehen zählt Ingmar die Wildkräuter auf, die hier am Wegesrand gedeihen. Wilder Thymian, Schafsgarbe, Sauerampfer, Schabockskraut, Vogelmiere. „Die Wiesen hier sind unglaublich vielfältig.“

Ein Traditions-Betrieb mit Vorzeige-Vermarktung

Von Wildkräuter-Idylle und aufrichtiger Arbeit an Land und Tier allein lässt sich ein Demeter-Betrieb heute allerdings nicht über Wasser halten. Die Jaschoks wissen, wie man sich vermarktet. Und damit ist keine Vermarktung im Sinne hohler Werbeversprechen gemeint, sondern eine kluge Strategie, die den am Hof erzeugten Produkten ausreichend Aufmerksamkeit beschert. Richtig gutes „Content-Marketing“ würden Werbe-Profis dazu sagen und von vielen verschiedenen „Touchpoints“ reden.

Mastermind hinter der Öffentlichkeitsarbeit ist Ingmar Jaschok – ältester Sohn der Familie. Ein Mann mit Leidenschaft für Landwirtschaft, Fotografie und fürs Schreiben. Zentrum seines kreativen Schaffens abseits des Hofs ist sein Blog „Hofhuhn“ – für mich eine der liebsten Quellen für tiefschürfende Abhandlungen zu landwirtschaftlichen Themen. Was Ingmar auf seinem Blog und den angeschlossenen Social-Media-Kanälen von sich gibt, ist fundiert, transparent, passioniert und unterhaltsam. Nicht umsonst steht dort als Slogan „Bauernhirn Inside“. Die täglichen Einblicke – speziell in seinen Instagram-Stories“ sind beeindruckend ungefiltert, ohne belanglos zu sein. Ingmars Exkurse gehören für mich zum Pflichtprogramm vor dem Einschlafen – irgendwas lernt man dort immer. Und irgendwas gibt es auch immer zu Lachen.

Von richtig guten Instagram-Stories und Blogartikeln lebt ein Bauer aber immer noch nicht. Sie bescheren den Jaschoks allerdings jene Aufmerksamkeit, die es braucht, damit gute Produkte überhaupt entdeckt werden können. Allen voran die Milchprodukte. Beim gemeinsamen Mittagessen probiere ich mich einmal quer durch die Palette. Vom Flammkäs über den dickgelegten Joghurt über die frische Milch, als Schoko-Pudding verarbeitet. Ein gänzlich objektives Urteil ist nach dem Hofrundgang nicht möglich, zu sehr bin ich gefangen im begeisternden Kreislauf-Denken der Hofgemeinschaft.

Die Milch kommt von den Kühen, die oberhalb des Hofs grasen. Sie fließt komplett in die angeschlossene Käseproduktion wenige Meter nebenan. Die Molke als Abfallprodukt landet als Tierfutter in den Trögen der Schweine und die frisch erzeugten Milchprodukte kann man in der Käsehütte an der Hofeinfahrt kaufen. Zum Beispiel den Flammkäs – einen Halloumi-artigen Grillkäse – ein Glückgriff der Jaschoks. „Sowas gabs bei uns in der Gegend damals nicht zu kaufen,“ schaut Ingmar zurück auf die Anfangstage des heutigen Kassenschlagers. Supermärkte und Feinkost-Geschäfte im Hunsrück führen den Flammkäs mittlerweile, sogar Burger-Restaurants bestücken ihre Veggie-Burger mit dem Käse vom Bornwiesenhof.

Meike Jaschok – Ingmars Mutter – lernte das Käsen einst im Verband für handwerkliche Milchverarbeitung. Bald will sie neben der Arbeit auf dem Hof die Meisterprüfung zur Käserin absolvieren. Hört man ihr zu, wenn sie von der Milch und den unzähligen Veredelungsvarianten erzählt, hört man keine Werbebotschaft, sondern Respekt und Begeisterung für das Grundprodukt. Seit einiger Zeit gibt sie ihr Praxiswissen in Käse- und Joghurtkursen weiter und schafft dadurch einen weiteren „Touchpoint“ zu den Produkten des Bornwiesenhofs.

Hühnerhaltung neu definiert

Geduldige, ehrliche und einfach gut gemachte Öffentlichkeitsarbeit zahlt sich aus – der Bornwiesenhof ist das perfekte Beispiel für einen landwirtschaftlichen Betrieb, der sich die Freiheit erarbeitet hat, seine eigenen Wege zu gehen, Preise selbst zu definieren. Qualitätsansprüche zu wahren – ohne Kompromisse. Sich neue Sparten zu erschließen. „Die Berater haben uns immer gesagt, dass wir günstiger produzieren müssen, aber meine Eltern wollten sich nicht die Arbeitsweise diktieren lassen,“ sagt Ingmar. Heute erntet er die Früchte dieser Beharrlichkeit.

Ingmars großer Traum ist es, Hühnerhaltung auf einem nie dagewesenen Niveau zu etablieren. Daher rührt auch der Ursprung des „Hofhuhn“-Blogs. Sein Projekt ist bereits angelaufen, mit selbst gebauten Ställen, alten Rassen und täglicher Dokumentation auf Instagram. In einige wenige Hühner und Enten fließt – so erscheint es jedenfalls von außen betrachtet – eine rieisige Menge an Zeit- und Hirnschmalz. Die ganze Aktion scheint auf den ersten Blick völlig unwirtschaftlich, doch gerade das macht sie so interessant. Hier geht es nicht um Gewinnmaximierung. Hier geht es um die Erfüllung eines Traums und eines extrem hoch gesteckten Anspruchs. Freiheit und Unabhängigkeit ermöglichen Pionier-Arbeit.

Demeter ist – nach allem, was ich auf dem Bornwiesenhof sehe und höre, als ganzheitliche Lebens- und Arbeitsphilosophie zu begreifen. Wer sich von Demeter zertifizieren lässt, tut das bewusst und aus Überzeugung. Demeter bedeutet mehr Aufwand, höhere Kosten und dadurch teurere Produkte im Verkauf. Faktoren, die einer rein gewinnorientierten Produktion im Weg stehen. Dieses Spannungsfeld aus gelebter Nachhaltigkeit und ökonomischem Denken lässt sich nur „aushalten“, wenn es ohnehin der eigenen Philosophie des Umgangs mit Natur und Tier entspricht. Das Demeter-Siegel ist dann am Ende nur noch die offizielle Bestätigung des Aufwands, den man betreibt – ein Qualitätssiegel, das einen unausweichlich höheren Preis ganz offiziell rechtfertigt. Ohne Kommunikation und Aufklärung geht es deshalb nicht.

Die Jaschoks klären auf und informieren, mit moralischem Gewissen, aber ohne erhobenen Zeigefinger. Das ist der Mix, der funktioniert. Zeigen was man hat, was man denkt und dem Verbraucher dann die Wahl lassen. Genau so haben Ingmar und seine Familie genügend Menschen gefunden, die ihre Preise verstehen, schätzen und deshalb auch bezahlen.

Zur Website des Bornwiesenhof

Zum Hofhuhn-Blog von Ingmar (unbedingt anschaun!)

Zum Instagram-Account von Ingmar

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