„11 Dinge, die man in Costa Rica erlebt haben muss.“ Zu jedem Land gibt es diese Listen, die einem sagen, was man in diesem Land unbedingt erlebt haben muss. Hat man fünf von ihnen gelesen, wiederholen sich die Must-Sees und Must-Goes unweigerlich, sodass schnell das Gefühl entsteht, alle Artikel würden einer Ursprungsliste entstammen, die lediglich leicht modifiziert wurde aber wenig neue Impulse bringt. Genau deshalb verfolgt dieser Artikel das Ziel, einen etwas anderen Blickwinkel auf das Reisen durch Costa Rica zu werfen. Dasselbe Land, aber mit kulinarischem Fokus, anderen Perspektiven und mehr Mikro-Abenteuern. Wir wollen euch in diesem Artikel die kleinen Genussmomente zeigen, die für uns die Zeit in Costa Rica zu etwas Besonderem gemacht haben, statt die größten Touristenspots aufzuzählen. Wenn es für dich erstrebenswert ist, beim Reisen die kulinarische DNA eines Landes zu ergründen, dann ist das DEIN Artikel!
Ceviche unterschiedlicher Machart vergleichen
Zuerst die Hard Facts: Ceviche ist ein Gericht, bei dem roher Fisch in einem Sud aus Zitrussaft eingelegt wird, wodurch er gewissermaßen gart (denaturiert). Das Ergebnis ist eine mürbe Textur des Fischs und ein Gesamtgeschmack, der einzigartig ist. Ceviche macht süchtig, wenn man Fisch und Säure mag. Das Gericht wurde allerdings nicht in Costa Rica erfunden, sondern in Peru. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass jede zweite Strandbar in Costa Rica eine Ceviche auf der Karte hat. Kein Wunder: Frischer Meeresfisch ist jederzeit verfügbar, Tomaten, Koriander, Limetten und Zwiebeln gedeihen rund um San José perfekt – so ist die Basis für eine solide Ceviche gelegt.
Ich esse wahnsinnig gerne Ceviche, doch in Deutschland findet man sie nur in speziellen Restaurants, sodass man selten in den Genuss kommt. So selten, dass ich bislang nicht beurteilen konnte, was eine gute Ceviche ausmacht, weil ich nie den direkten Vergleich hatte. In Costa Rica kann man mehrmals täglich Ceviche essen und dadurch die Unterschiede erschmecken. Von Fisch zu Fisch, von Sud zu Sud (führt den schönen Namen „Leche de Tigre“) bis hin zu den begleitenden Zutaten, von basic bis tropisch. Nach 14 Tagen ist die Bandbreite dessen, was ich unter dem Begriff „Ceviche“ verstehe, deutlich breiter geworden. Hier kommen also meine Tipps zwei für ganz unterschiedliche Ceviche Highlights:
Richtig gute, sehr klassische Ceviche (habe lediglich etwas nachgesalzen): Marisqueria Ribiero im Central Market von San José, wo es auch eine grandiose Fischsuppe gibt.
Tropische Ceviche mit Pimenton de la Vera und Passionsfrucht: Shambala Restaurant des Tropico Latino Hotels in Santa Teresa – dazu gibt’s gratis schönste Strandrestaurant-Stimmung, wenn die Sonne untergeht. Das Essen im Restaurant dort war das Beste der ganzen Reise.
Hochreife Ananas am Strand zerlegen und mit Meersalz genießen
Costa Rica liegt nur 10 Breitengrade nördlich des Äquators und damit in den Tropen. Bei Reisen in tropische Gefilde freue ich mich schon Wochen vorher auf hochreifes Obst, das nicht während des Transports nachreifen oder begast werden muss. Und Costa Rica hält, was ich mir von einem Tropenland verspreche. Zwar ist die Auswahl der angebotenen Obstsorten weniger exotisch als in Asien, die Qualität einzelner Früchte macht das aber wieder wett. Unangefochten an der Spitze des süß-saftigen Obstgenusses steht für mich die Ananas. Von fünf Ananas, die ich in den Standorten Santa Teresa und Samara gegessen habe, war nur eine nicht vollends begeisternd. Die restlichen vier endeten in einem regelrechten Obstgasmus.
Am schönsten (und praktischsten) lässt sich eine costarikanische Ananas am Strand genießen. Es lohnt sich also IMMER ein Messer dabei zu haben oder zumindest eines im Hotel zu leihen. Denn die nächste hochreife Ananas kann sich einem jederzeit unvermittelt in den Weg werfen. Wie bitter wäre es, dann kein Zerlegewerkzeug zur Hand zu haben. Also: Ananas einpacken, einen sauberen Stein suchen, Ananas vierteln, Strunk herausheben, wie bei einer Melone zwischen Schale und Fleisch entlang fahren, sie dabei als Schiffchen stehen lassen und die Frucht pro Viertel in 8 Segmente schneiden. Klebrige Hände sind unvermeidbar, aber dafür ist das Meer ja nur ein paar Meter entfernt.
Pro-Tipp: Vor dem Ananasfest einmal die Hände im Salzwasser untertauchen und bei jedem Stück Ananas einmal kurz über den Handrücken lecken. Feinschmecker wissen es längst: Ein Hauch Salz zum Dessert hebt das Aroma enorm.
Bonito fangen und Wale erspähen
Über das Glück, einen selbst gefangenen Fisch zuzubereiten habe ich schon mehrfach geschrieben. Ob Karpfen oder Forelle – es ist einfach ein besonderes Gefühl. Nun bietet Costa Rica eine Fischvielfalt und einen intakten Fischbestand, der förmlich dazu einlädt, dasselbe Erlebnis auch in der Fremde zu suchen. Das klappt allerdings nur mit einem Boot und einem erfahrenen Einheimischen. Zum Glück gibt’s genug von beidem und man kann an jedem (etwas touristischen) Strand einen Fishing-Trip buchen. Wie viel Spaß der macht, hängt mit Sicherheit von dem Sympathiewerten des Guides ab, aber in dieser Hinsicht wurden wir in Costa Rica nie enttäuscht. Ein Guide sagte zu uns. „Offering the best we can to tourists is part of our culture.“
Wir hatten mit Alejandro von „Leos Surf School“ ein gutes Händchen. Die Bucht ist sein Zuhause, er tauchte hier schon mit Walen und kennt gefühlt jeden Thunfischschwarm persönlich. Die vierstündige Tour mit ihm ist in zweierlei Hinsicht ein Highlight. Zunächst fischen wir mit drei Ruten und schleppen die Köder hinter uns her. Nach einer Stunde steigt ein vermeintlich riesiger Thunfisch ein, die Rute knallt an den Bootrand und die Schnur spult sich binnen Sekunden fast komplett ab. Dann entkommt der Fisch allerdings (man kann es ihm nicht verübeln) und wir können ihn nicht begutachten. Wenig später klappt’s dann aber mit einem kleineren Exemplar, das uns Alejandro noch im Boot filetiert. Das Abendessen in unserem Airbnb ist eines der besten der Reise – das tiefrote Fleisch schmeckt fast wie Rinderfilet.
Das größere Highlight kommt dann jedoch ohne Ankündigung. Alejandro erspäht am Horizont die Fontäne eines Buckelwals und wir ändern sofort den Kurs. 10 Minuten später kreist unser 4-Mann-Boot in fünf Metern Abstand um eine Walfamilie, die im Wasser spielt und immer wieder an die Oberfläche taucht. In der Ferne können wir weitere Wale dank ihrer meterhohen Fontänen erahnen. Ein atemberaubendes Szenario kurz vor Sonnenuntergang, eines der Sorte „once in a lifetime.“ Im orangenen Licht der sinkenden Sonne bringt uns Alejandro zurück an Land und drückt uns zum Abschied den Fisch in die Hand. Kosten: 250 Dollar für einen halben Tag auf dem Boot. Mit vier Teilnehmern wird’s entsprechend günstiger, für uns war es aber auch zu zweit der perfekte Trip und das Geld mehr als wert.
Direkt zu zu den Touren von Leo
Kakaobohnen verkosten – roh, fermentiert und veredelt
Schokolade ist für mich so normal und alltäglich, dass ich den kompletten Entstehungsprozess noch nie bewusst reflektiert habe. Umso schöner, dass eine Tour auf der Kaffeeplantage „El Trapiche“ in Monteverde spontane Erleuchtung bringt. Das Beste: Nicht in Form eines Vortrags oder eines Museums, sondern mit sensorischer Begleitung. Wenn man jeden Schritt eines kulinarischen Prozesses gustatorisch nachvollziehen kann, erschließen sich für mich Zusammenhänge viel einfacher. Und genau das ermöglicht die Tour. Der Kakao-Part ist dabei nur ein kleiner Teil eines Rundgangs, der sich eigentlich vor allem auf Kaffee und Zuckerrohr fokussiert, weil Kakao in Costa Rica streng genommen gar nicht heimisch. Sei’s drum!
Wir verkosten zunächst ein Segment einer rohen Kakaobohne. Die weiße, schmierige Schicht, die das Segment umgibt, schmeckt adstringierend süßlich und überraschend gut. Der Biss in die Bohne offenbart ein violettes Innenleben, das geschmacklich keinerlei Referenzen zu Kakao zulässt. Das Aroma ist grün, erbsig, grasig und leicht bitter.
Im Anschluss können wir die Nase in zwei Gläser strecken, in denen die schmierigen Segmente jeweils 3 und 9 Tage bei Zimmertemperatur fermentiert haben. Ein alkoholischer Dunst, der an Sauerteig erinnert, steigt uns entgegen. Wilde Hefen haben hier einen Gärprozess gestartet.
Nach 10 Tagen wird der Trocknungsprozess angestoßen der die Segmente in einer Form zurücklässt, die an gebrannte Mandeln erinnert. Wir dürfen wieder probieren und zerbrechen die getrockneten Segmente. Sie zerbrechen in Splitter. „Kakaonibs,“ erklärt unser Guide – und erstmals ist das vertraute Kakao-Aroma spürbar. Im anschließenden Röstprozess wird dieses Aroma weiter verstärkt. Die gerösteten Segmente sind die Basis für die Schokolade, wie wir sie kennen. Sie werden fein zermahlen und mit etwas Zucker angereichert. Wir können wieder probieren. Und der Kreis schließt sich. Absolut faszinierend.
Die gesamte Plantagen-Tour ist gesäumt von sensorischen Erlebnissen und – wie so oft in Costa Rica – von einem sympathischen und extrem kompetenten Guide begleitet. Ich würde so weit gehen zu sagen: Ich habe noch nirgends auf der Welt so gute Touren gebucht, wie dort. Von Dschungel-Tour bis hin zur simplen Autofahrt. Die Menschen sind enorm serviceorientiert und gleichzeitig authentisch – immer freundlich, hilfsbereit, kompetent und nie aufdringlich.
Im Sonnenuntergang Kokosnüsse sammeln und trinken
Keine Frucht drückt für mich mehr Tropengefühl aus als die Kokosnuss. Urlaub in den Tropen beginnt quasi erst, wenn die erste Nuss am Straßenrand von der Machete geköpft wurde und ich mit dem Strohhalm kaltes Kokoswasser aufsauge. Diese Kokosnüsse findet man aber nicht nur am Straßenstand aus dem Kühlschrank, sondern unter jeder dritten Palme an den Stränden des Landes. Und natürlich fällt auch ab und an mal eine runter (dann sollte man bestmöglich nicht direkt darunter, sondern ein paar Meter daneben liegen). Ich habe mir in diesem Urlaub vorgenommen, mal selbst eine reife Nuss zu suchen und den Weg zum Kokoswasser auch ohne Machete freizulegen. Gesagt – getan: In Samara finde ich ein paar Meter neben unserem Handtuch unter Kokospalmen eine pralle grüne Kokosnuss. Das Messer habe ich natürlich dabei (siehe Ananas) und ich hacke den grünen Mantel wie mit einem Mini-Beil ab, bis ich auf die Nuss stoße. Die lässt sich mit einem kräftigen Stoß durchlöchern und ich zapfe das Kokoswasser und das Fleisch der jungen Kokosnuss an. Auch wenn diese Nuss nicht gekühlt ist: Sie befriedigt den Jäger & Sammler Trieb um ein Vielfaches mehr.
Eine Bananenblüte pflücken und Salat daraus machen
Bleiben wir direkt beim Jagen & Sammeln. Das klappt in Costa Rica tatsächlich gut. Wir finden direkt neben unserem Airbnb einen Baum voll hochreifer Sternfrüchte (Karambole). Am Tag der Kokosnussjagd entdecken wir auf dem Heimweg außerdem eine Bananenblüte von einer Bananenstaude hängen – und das sogar in potentiell erreichbarer Höhe. Ich erinnere mich daran, in Vietnam schon einmal Bananenblütensalat gegessen zu haben. In einer eher waghalsigen Aktion gelingt es uns, die Blüte zu erobern, ohne die gesamte Staude zu fällen. Barfuß, im Gestrüpp (mit realer Schlangengefahr) und direkt über einer kleinen Schlucht. Völlig bekloppt, um ehrlich zu sein. Aber der Trieb ist stärker.
Die Bananenblüte bereiten wir am nächsten Tag zusammen mit unserem selbst gefangenen Bonito zu, als Salat mit (selbst gepflückter) Sternfrucht, Mango, Koriander, Sojasauce und Limettensaft. Dazu werden die äußeren Blätter der Bananenblüte und alle Bananenfruchtstände entfernt. Sobald man die zarteren, helleren Blätter erreicht, werden diese in feine Streifen geschnitten und für 30 Minuten in eine Schale mit gesalzenem und gesäuertem Wasser (2 EL Salz und 2 Zitronen auf 1 L) gelegt. In dieser Zeit verlieren sie ihre Bitternote fast komplett. Pro-Tipp: Man kann sie anschließend auch toll knusprig frittieren.
Rezept-Inspiration zum Bananenblütensalat
Maniokchips mit Schweineschwarten snacken
Eine Tradition auf jeder Reise: Einmal in einem lokalen Supermarkt quer durchs Chips- und Snackregal probieren. Dort findet man Kochbananenchips in dutzenden Varianten, dazu andere knusprig frittierte Knollen und Wurzeln. Ein Highlight für mich: Die Yuquitas con Chicharrones – Maniokchips mit gepoppten Schweineschwarten in einer Tüte. Für mich neu und exotisch – für die Menschen in Costa Rica offenbar ein beliebter Alltagssnack. Grundsätzlich sind Schweineschwarten eine beliebte Zutat in der Landesküche, was ich sehr sympathisch finde. Wer – wie ich – großer Schweineschwartenfan ist, hält also am besten nach „Chicharron“ Ausschau.
Kaffeekirschen & Kaffeehonig
Wenn von Kaffeekirschen die Rede ist, darf man nicht an Kirschen im botanischen Sinne denken. Man darf die rote Frucht, die am Arabica-Kaffeestrauch gedeiht umgibt, aber durchaus roh essen, wie eine Kirsche. Der Kern, der übrig bleibt, ist dann die Kaffeebohne, die wiederum von einer süßen, schleimigen Schicht umgeben ist – dem „Kaffeehonig“. All das lässt sich hautnah erleben, wenn man eine der unzähligen Kaffeeplantagen in Costa Rica besucht. Die Touren gibt’s in unterschiedlichen „Qualitätsleveln“ – ich würde immer eine kleine, familiär geführt Plantage vorziehen. Mit „EL Trapiche“ nahe Santa Elena in Monteverde haben wir großes Glück. Die ganze Familie arbeitet dort noch mit und hat ihren Betrieb zu einem Schaubetrieb umgebaut. Auf der kombinierten Tour streift man durch Zuckerrohrplantagen, rührt selbst Rohrzucker an, probiert Kakao und Kaffeebohnen in verschiedenen Zuständen und kann zum Schluss auch die Endprodukte verkosten.
Zur El Trapiche Plantagen-Tour
Palmherzen probieren
Gedünstet, gebraten, gegrillt, geschmort, püriert oder gepickled: Palmherzen sind das Lieblingsgemüse der Locals in Costa Rica – und in großen Mengen verfügbar. Ich mag den Geschmack und die Konsistenz sehr, sie erinnert mich an Artischockenherzen mit etwas mehr Säure.
Dazu etwas Palmherzwissen. Palmherzen werden NICHT aus Kokospalmen gewonnen, sondern aus Kohlpalmen oder Pfirsichpalmen. Oft wird das Gemüse nicht explizit angebaut, sondern eher als Abfallprodukt gewonnen, wenn Palmen in großen Mengen gerodet werden. Die Palmherzen werden dann aus dem Vegetationskegel gewonnen, dem oberen Ende der Palme, das Stamm und Blätter verbindet (Bindungsgewebe). Wird dieser Kegel entfernt, kann die Palme (auch wenn sie nicht gefällt wird) nicht mehr weiterwachsen.
Casado vom Straßenstand
Bei all den Food-Abenteuern, die man sich abseits der Touristenpfade selbst bescheren kann, gehört es auch dazu, mindestens einmal (besser öfter) das Nationalgericht Costa Ricas zu essen. „Casado“ steht für ein variables Tellergericht, dass immer aus einer Sättigungsgrundlage aus Reis, geschmorten Bohnen und etwas Salat besteht. Dazu kommt dann – je nach Familie – Huhn, Rind, Schwein oder Fisch – nur in seltenen Fällen Tofu. Die Qualität eines Casados hängt stark von der Würzkunst des Kochs ab. Reis und Bohnen schwanken zwischen trocken/fad und würzig/saftig/mindblowing. Dazu kommt ein gekonnter Umgang mit Fleisch, was ebenfalls ganz unterschiedlich gegart werden kann. Hühnerfleisch, dick frittiert mit Knusperpanade, war für mich die beste Wahl – vielleicht weil so auch das Fleisch im Inneren geschützt und saftig bleibt. Fakt ist: Ohne Casado darf man Costa Rica nicht verlassen. Wer allerdings nur Casado isst (weil es meist das günstigste Essen ist), wird viel verpassen.
Fotocredits:
Bananenblüte: Unsplash.com/Lauren George
Kokospalme: Unsplash.com/Marvin Meyer