Wir hattes es schon abgehakt und quasi aufgegeben: Morcheln zu finden ist kein leichtes Unterfangen und die vergangenen Jahre hatten uns fast zum Verzweifeln gebracht. So analytisch wir uns dem Thema auch näherten – es blieb erfolglos. In der Theorie kannten wir den richtigen Zeitpunkt und die richtige Umgebung, doch allein der Fund blieb aus. Ein kleiner Hoffnungsschimmer war die Entdeckung einer Morchel-Ruine an einer meiner Angelstrecken im Mai letzten Jahres. Endlich der erhoffte Indikator für einen aussichtsreichen Morchel-Spot. Und wir schworen uns, im Jahr darauf wieder zu kommen – etwas früher.
Gesagt – getan. Bei strömendem Regen steigen wir den kleinen Fluss hinauf, dessen Namen wir natürlich nicht nennen. Wir biegen frühzeitig in die kleinen Wäldchen ein, die das Flussufer säumen und bewegen uns sehr nah an der Wasserkante. Triefende Zweige peitschen uns ins Gesicht, doch der Morcheltrieb ist stärker. Einig sind wir uns in der Auffassung, dass es hier schon „sehr morchelig“ aussieht. Doch nach 10 Minuten schockt uns der Anblick eines Morchelrests, der seinen Reifezenit längst überschritten hat. Sind wir wieder zu spät? Wir steigen weiter auf, immerhin mit der Gewissheit, dass der Boden wohl von Morchelmyzel durchwuchert ist.
Wer häufig Pilze sammelt, kennt den „Pilzsammlerblick“. Man scannt den Boden nach bekannten Farben und Mustern, die das Hirn schon hunderte Male als Speisepilze identifiziert hat. Das Prinzip erinnert an „Machine Learning“. Irgendwann kennt man durch die schiere Masse an visuellen Eindrücken fast alle Formvrianten und Farbstufen, die bestimmte Pilze annehmen können. So lässt sich sehr leicht eine große Fläche abscannen. Bei den Morcheln fehlt mir dieser Blick völlig. Das macht es schwerer, sie zu entdecken.
Doch es würde diesen Artikel natürlich nicht geben, wenn dieser Tag nicht den großen Erfolg bringen sollte: Nach etwa 40 Minuten Suche – der Moment, auf den wir so lange gewartet hatten: Keine drei Meter vom breiten Wanderweg entfernt stellt sich uns eine Speisemorchel in den Weg. Ein Prachtexemplar – prall und für eine Morchel beachtlich groß. Fast andächtig trennen wir unseren Sehnsuchtspilz ab – und erspähen im Hocken schon die nächsten Fruchtkörper. 13 sinds am Ende. Eine Ausbeute, die ich niemals für möglich gehalten hätte.
So ein Fund will zelebriert werden. Das bedeutet: Den Geschmack maximal herauskitzeln. Das Eigenaroma der Morcheln nicht zu stark überlagern und dem Edelpilz ohne Rücksicht auf Kalorien eine geschmackstragende Basis mitgeben. Eine Rahmsauce mit Miso und Estragon ist meine Art der Morchel zu huldigen – diesem wunderschönen und aromatisch einzigartigen Pilz. Süßlich, erdig, vollmundig und ein Hauch muffig. Kein anderer Pilz liefert dieses Geschmacksprofil.
Die Idee der Sauce: Zwiebeln und Knoblauch geben eine bewährte Grundwürze. Eine gute Hühnerbrühe (ideal: selbstgemacht, mit etwas Fett) kocht das Aroma der Morcheln frei. Bewährte Umami-Zutaten wie Miso und etwas Sojasauce heben den Gesamtgeschmack. Sahne macht’s rund und cremig. Und ein Hauch Estragon harmoniert prächtig, weil kaum aufdringlich. Hier kommt mein Rezept.
Morchelrahmsauce mit Miso und Estragon
Zutaten
- 60 Gramm Butter
- 300 Gramm Morcheln (Spitz- oder Speisemorcheln)
- 1 Schalotte
- 1/2 Zehe Knoblauch
- 400 ml richtig gute Hühnerbrühe
- 400 ml Sahne
- 1 TL Sojasauce
- 1 TL helles Miso (Shiro Miso)
- Salz & Pfeffer
- 1 Zweig Estragon
Anleitungen
- Morcheln säubern und in mundgerechte Stücke schneiden. Schalotten haichfein würfeln, Knoblauch ebenfalls. Zwiebel und Knoblauch in Butter anschwitzen. Morcheln dazu geben und alles auf mittlerer Hitze ca. 5 Minuten anschwitzen.
- Hühnerbrühe angießen und Miso dazu geben. Einmal gut umrühren und solange einkochen, bis noch ca. 100 ml Hühnerbrühe übrig sind.
- Sahne angießen und wiederum solange einkochen, bis insgesamt ca. 300ml Sauce enstanden sind. Mit Sojasauce, Salz und Pfeffer abschmecken.
- Estragon fein hacken und direkt vor dem Servieren in die Sauce geben.
- Tipp: Am liebsten koche ich die Nudeln etwas zu kurz und gare sie die letzten 3 Minuten in der Sauce. So saugen sie noch etwas Geschmack auf und binden die Sauce mit der anhaftenden Stärke. Aber Vorsicht: Die Nudeln können die Sauce nochmal zusätzlich salzen.