Tasmanien in fünf Tagen: Strände, Wandern, Essen

Meine Erwartungshaltung auf dem Weg nach Tasmanien ist nicht besonders spezifisch. Braun, gelb und grau ist sie allerdings nicht. Genau so zeigt sich mir die Insel jedoch beim Anflug nach Hobart – und zwar ausschließlich. Januar-Tasmanien von oben bedeutet Ockertöne in allen Varianten. Der Anblick irritiert mich ein wenig, es sieht nach Steppe aus, wenngleich nach einer sehr weichen, einladenden Steppe. Als wir weiter sinken, differenziert sich das Bild in trockenen Wald und Wiesen. Eine einsame Straße windet sich übers Land, viele kleine Seen, ich erahne Schafe. Das wird interessant, denke ich mir und unterdrücke latente Ernüchterung. Die folgenden Tage werden das Bild, das sich aus der Luft bietet, aufs Äußerste widerlegen und gleichzeitig bestätigen. Es folgen fünf der außergewöhnlichsten Reisetage, die ich bislang erlebt habe.

Tasmanien: Traumziel im Süden Australiens

Tasmanien bildet den südlichen Zipfel Australiens, etwa 500 Kilometer südlich von Melbourne gelegen – der einzige vom Festland getrennte Bundesstaat des Landes. Man erreicht die Insel entweder mit der Fähre von Melbourne nach Davenport oder mit Jetstar von Melbourne/Sydney nach Hobart für etwa 100 Euro – Hin- und Rückflug. Der Flughafen in Hobart ist klein und übersichtlich mit einer einzigen Halle für Ankünfte und Abflüge, dort befinden sich auch die Autovermietungen. Ein Auto oder einen Camper zu mieten ist ratsam. Die Insel ist – das spüren wir in den folgenden Tagen – noch nicht auf Massentourismus getrimmt, entsprechend unflexibel reist man mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Die ausbaufähige Infratstruktur – gerade in den ländlichen Gegenden (90% der Insel)-  lässt sich als Privileg auskosten, wenn man selbst fährt. Dann fühlt sich das Reisen auf Tasmanien oft so an, als wäre man der einzige, der diese einzigartige Insel erkundet. Autos sind natürlich günstiger als Camper, die Unterkünfte allerdings recht teuer und rar, speziell für Spontanreisende. Eine Nacht kostet uns zwischen 80 und 100 Euro bei einem Standard, der in Deutschland im 2-Sterne Segment zu finden wäre. Wir sind aber nicht hier, um zu schlafen. Die Reise beginnt in Hobart, wo wir am späten Nachmittag landen.

Mount Wellington bei Sonnenuntergang

Hobart ist die größte Stadt Tasmaniens – dennoch eine Kleinstadt mit einem turbulenten Zentrum und einigen idyllischen Vierteln. Am Salamanca Market gönnen wir uns im Syra hervorragende orientalische Mezze und schlendern zum Battery Point, einem Vorzeigeviertel der Stadt. Skandinavisch anmutende Häuser mit viktorianischem Einschlag, blitzsaubere Straßen und der Blick vom Hügel aufs Meer sind unser erstes Aufeinandertreffen mit dem tasmanischen Alltagsleben. Für Hobart kann man einen halben Tag einplanen. Wissend was noch kommt, sollte man keine Zeit verlieren, um an die Ostküste zu kommen.
Einen Zwischenstopp legen wir allerdings noch ein: Bei Sonnenuntergang fahren wir hinauf zum 1271 Meter hohen Mount Wellington, dem „Hausberg“ der Stadt. Die gut ausgebaute Straße bringt uns direkt zum Aussichtspunkt, wo uns ein unglaubliches 360 Grad Panorama erwartet.

360 Grad-Panorama zur Begrüßung

Wir treffen mehr durch Zufall den goldrichtigen Zeitpunkt. Das Abendlicht taucht die Stadt in einen orangenen Dunst, während von Westen ein Wolkenfeld unter uns vorbei zieht. Man muss etwas Glück haben, denn oft liegt der Gipfel des Bergs im Nebel. Wir haben Glück an diesem Tag und fühlen uns glückselig bei goldener Stunde, Fels-Pinnacles und lauem Abendwind. Wie so viele Aussichtspunkte auf Tasmanien ist auch der Mount Wellington für Touristen ideal erschlossen und mit einem Skywalk versehen – ein Steg, der uns ein paar Meter durch die Felsen und über die Schlucht hinausführt. Die Aussicht ist atemberaubend, bereits jetzt setzt ein „was soll jetzt noch kommen“-Gefühl ein. Das nächste Highlight lässt allerdings nicht lange warten. Wir fahren noch am späten Abend nach Bicheno, übernachten solide im Bicheno East Holiday Park, um am nächsten Tag früh zur ersten Wanderung aufbrechen zu können. Wer früh bucht, findet auch tolle Unterkünfte direkt an Coles Bay in direkter Nationalparknähe.

Wineglass Bay Tour über Hazards Beach

Der Freycinet Nationalpark ist für sich allein ein Grund von Australien nach Tasmanien zu fliegen, das empfehlen uns australische Freunde mit Nachdruck. Wir starten von Bicheno aus und frühstücken im süßen The Farm Shed am Ortsrand. Wer Wineglass Bay erkunden will, hat die Wahl zwischen drei Varianten: Eine ambitionierte Klettertour hinauf zum Mt. Amos mit gigantischem Ausblick über Wineglass Bay (sagt man), ein einfacher Walk zum Lookout über Wineglass Bay (für Lauffaule) oder die 11km-Wanderung über Hazards Beach (unbedingt zu empfehlen). Wir wählen Variante drei und biegen aus der Touristen-Karawane (heißt in Tasmanien: ca. 10 Touristen) hinauf zum Lookout nach rechts ab in Richtung Hazards Beach.

Durch Zufall zum Traumstrand

Ein kleiner Busch-Trail schlängelt sich über Wurzeln und Felsen, immer wieder ragen große Steinplattformen hinaus zum türkisblauen Meer – schon das macht uns glücklich. Nach etwa fünf Kilometern ändert sich die Szenerie schlagartig (ein Tasmanien-Klassiker!). Wir tauchen ein in einen staubtrockenen Nadelwald. Knochentrockene Stämme, ausgedörrte Äste und ein Teppich aus Nadeln breiten sich vor uns aus. Nach wenigen Metern schimmert ein paar Meter unterhalb türkises Wasser durch die Stämme. Der Anziehungskraft dieser Farbe können wir uns nicht entziehen. Sie lockt uns an eine kleine Traumbucht, die wir uns mit zwei anderen Reisenden teilen und kurze Zeit später für uns allein haben. Ein Ort, den man schwer beschreiben kann. Wie gemalt und doch begehbar. Ich springe ins Wasser, als ob ich mich vergewissern müsste, dass das hier real ist. Die Bucht mit Sandstrand ist eingefasst von rotem Gestein, gefüllt von kristallklarem Wasser in fast schon kitschiger Karbik-Farbe. Wir können nicht anders und bleiben eine Stunde, obwohl der größte Teil der Strecke noch vor uns liegt. Am Ende hüpft sogar ein Wallaby an uns vorbei, es ist wie im Traum.

Hazards Beach: Karibik-Gefühl auf Tasmanien

Etwa einen Kilometer später erreichen wir Hazards Beach und unsere Kinnlade klappt das zweite Mal binnen zwei Stunden hinunter. Vor uns erstrecken sich drei Kilometer wilder weißer Sandstrand, der in türkisblaues Wasser mündet, das langsam in ein tiefes Blau verläuft. Das Meer hat riesige Muschelschalen angespült. Jakobsmuscheln, die in gelb, rot violett und blau leuchten, Austernschalen und riesige Schneckenhäuser. Wir verlieren uns in Deko-Gedankenspielen und verpassen die Abzweigung hinauf zum Lookout Richtung Wineglass Bay. Man erreicht sie nach etwa 800 Metern Strand, eine kleine Holzleiter führt die Böschung hinauf. Dahinter liegt wildromantisches Buschland, das uns etwa 30 Minuten begleitet. Immer vor dem inneren Auge: Wineglass Bay, das Aushängeschild des gesamten Nationalparks.

Wineglass Bay: Weißer Sand, starke Brandung

Wineglass Bay ist eine Bucht mit einem Sandstrand, der so weiß leuchtet, dass meine Kamera Belichtungsprobleme hat und ich einige Versuche brauche, um ein anständiges Bild zustande zu bringen. So schön Wineglass Bay anzusehen ist – baden sollte man dort nicht. Starker Wellengang und heftige Strömungen sorgen dafür, dass kein einziger Tourist sich in die Brandung wagt. Vor uns liegen nun 400 Höhenmeter, die es in unzähligen Stufen zu bezwingen gilt – nach vier Stunden Wanderung bei 34 Grad eine echte Kraftprobe. Eine Wahl bleibt uns nicht und die Aussicht, diesen einzigartigen Strand noch einmal von oben sehen zu können, treibt uns Schritt für Schritt hinauf, vorbei an violetten Granit-Giganten und schnaubenden Mitkletterern. Oben dann: Ein weiterer atemberaubender Blick – nicht ohne Grund das Cover unzähliger Tasmanien-Reiseberichte. Dennoch steht für uns fest: Der Umweg über Hazards Beach ist das eigentliche Highlight dieses Nationalparks. Ganz wichtig: Genug Proviant mitnehmen, Wasser oder Snacks gibt es unterwegs nirgends zu kaufen.

Fish & Chips bei The Wharf Bicheno

Wer aus einer der australischen Metropolen nach Tasmanien reist, darf nicht erwarten, auf der Insel eine auch nur annähernd beeindruckende Dichte an kulinarischen Highlights vorzufinden. Um es deutlicher zu sagen: Außerhalb von Hobart, Davenport und Launceston gut zu essen, erfordert Recherecheaufwand. Nach unserem wunderschönen, aber kräftezehrenden Wineglass Bay-Marsch melden sich unsere Mägen lautstark und wir beginnen mit rasch schwindender Geduld Tripadvisor und Google zu durchwälzen. Entlang der Strecke nach Norden, die wir einschlagen wollen, sind die Ess-Möglichkeiten rar gesät. Ins Auge sticht uns allerdings ein Fish & Chips-Imbiss am Hafen von Bicheno. Die Rezensionen versprechen „Best Fish & Chips I ever had.“ Als wir am kleinen Fischerhafen von Bicheno ankommen sehen wir aus der Ferne neben vielen kleinen Booten und Tausenden Möwen auch eine vielversprechende Schlange vor „The Warf“.

Geniales Seafood direkt am Hafen

Wir reihen uns ein und ordern auf Empfehlung gebackenen Flathead, tasmanischen Lachs, Jakobsmuscheln, Garnelen und Austern. Es sind tatsächlich die besten Fish & Chips I ever had, auch wenn ich noch nicht viele hatte. Die Austern genial cremig, der Fisch im Teigmantel maximal saftig. Die Sonne steht tief und färbt die Hafen-Kulisse orange, auf der Audiospur begleitet von der umtriebigen Möwenkolonie drüben auf der Insel. Zwar müssen wir auf unsere Seafood-Box ob des Andrangs etwa 45 Minuten warten, doch als sie dann vor uns steht, ist es größtmöglicher Genuss. Der Überraschungsfaktor, die Hafen-Szenerie und vor allem die Qualität des Fisches kann man ohne Übertreibung „outstanding“ nennen. Rückblickend war das eines der tollsten kulinarischen Erlebnisse der gesamten Reise (inklusive vier Wochen Australien)

Bay of Fires: Aushängeschild Tasmaniens

Wir übernachten in den modern ausgestatteten Cabins des Pelican Point Sanctuary, die schönste Unterkunft unserer Reise und idealer Ausgangspunkt für die Tour zur Bay of Fires am Folgetag. Bay of Fires gehört wie Wineglass Bay zu den „Iconic sights“ der Insel – unmöglich ist es, unvoreingenommen dort hinzufahren, denn die rot leuchtenden Steine tauchen in nahezu jedem Tasmanien-Kontext auf. Rote Flechten auf den Granitfelsen haben die 50 Kilometer lange Bucht weltberühmt gemacht. Der Name „Bay of Fires“ geht allerdings nicht auf diese Färbung zurück, sondern auf Tobias Furneaux, einen Entdecker. 1773 entdeckte er auf seiner Fahrt entlang der Ostküste große Lagerfeuer der Aboriginies an dieser Bucht und gab ihr den Namen, der heute noch sehr passend erscheint.

Klettertour über rot bewucherten Granit

Wir parken beim Parkplatz der Bay of Fires Echo Tours in Binalong Bay – dem südlichsten Punkt der Bucht. Dort beginnen wir unsere Klettertour über das felsige Areal, das von kleinen türkisen Lagunen und Buchten unterbrochen wird. Viele davon sind vor dem Wellengang des offenen Meeres geschützt und man kann dort gefahrlos baden. Zwischen ikonisch orangefarbenen Felsen in (wieder einmal) türkisgrünes Wasser zu springen, fühlt sich surreal an. Die Faszination Tasmaniens hat uns bereits jetzt im Griff. Das Meer hat hier nur etwa 20 Grad, antarktische Meeresströmungen (die Antarktis ist nur 2000 Kilometer entfernt) mischen sich in das warme Pazifikwasser. An diesem brüllheißen Tag (37 Grad) bin ich sehr dankbar für die Erfrischung vom Südpol.

Lohnenswert: Von Boinalong Bay Richtung Norden

Bay of Fires ist ein einziges Highlight auf 50 Kilometern Länge. Wir rollen langsam entlang der Küstenstraße und steigen immer wieder aus, um die Landschaft aufzusaugen. Nach einigen Kilometern erreichen wir „The Gardens“. Eine Mischung aus Schottland, Malediven und Neuseeland. Der Drohnen-Blick von oben lässt uns ein weiteres Mal an diesem Tag sprachlos zurück. Die Dichte an unglaublichen Küstenblicken ist so hoch, dass wir von Superlativ zu Superlativ stolpern. Die Straße von Binalong Bay kommend endet irgendwann, zu Fuß kann man die Bucht noch stundenlang weiter erkunden. „Ist das krass!“ wird zur häufigsten Redewendung des Nachmittags. Krass ist auch das Wetterphänomen, das wir an diesem Nachmittag erleben. Nachdem das Thermometer gegen 14 Uhr an der 40 Grad-Grenze kratzt, setzt urplötzlich ein Temperatursturz ein. Fast 20 Grad in 20 Minuten. Das begegnet uns in Australien und speziell auf Tasmanien immer wieder und stellt unseren Kreislauf immer mal wieder auf eine harte Probe.

Von der Ostküste nach Launceston

Nach zwei intensiven Küstentagen machen wir uns auf den Weg ins Landesinnere, nach Launceston. Auf Empfehlung unseres Gastgebers der Pelican Point Sanctuaries nehmen wir die etwas längere nördliche Route und legen einen kulinarischen Zwischenstopp in Pyengana ein, dort hat ein ortsansässiger Milchbetrieb ein Erlebniszentrum eingerichtet, idyllisch gelegen zwischen Kuhweiden in einem grünen Landstrich. Wir bestellen die Käse-Verkostungsplatte, die zusätzlich Räucherlachs und Schinken aus eigener Herstellung bereithält. Der hausgemachte Cheesecake zum Nachtisch ist einer der besten, den ich je gegessen habe.

Typisch: Rasante Vegetationswechsel

Milchwirtschaft prägt die Landschaft Tasmaniens. Den Kühen und Schafen stehen hier gigantische Weiden zur Verfügung. Milch- und Fleischprodukte zählen neben dem prestigeträchtigen tasmanischen Huon-Lachs zu den Exportschlagern im Lebensmittelbereich.
Durch unseren Abstecher nach Pyagena lernen wir zum ersten Mal den spätsommerlichen Facettenreichtum Tasmaniens kennen, der für mich im Nachhinein den größten Reiz des Reisens dort ausmacht. Die Vegetationswechsel sind rasant. Wir überqueren kleine Hügel, die von Regenwald und Riesenfarnen überwuchert sind, um Sekunden später in der eingangs erwähnten Steppenlandschaft zu landen. Sattgrüne Wiesen wechseln sich mit leuchtend gelben Landstrichen ab. Unsere Befürchtung, die Fahrt ins Landesinnere falle im Vergleich zur Küste stark ab, bewahrheitet sich nicht. Meist sind wir allein auf weiter Flur und stoppen alle paar Kilometer für ein neues Foto, weil sich die Szenerie wieder einmal gewandelt hat.

Übernachtung in Launceston

Wir übernachten im Mercure Hotel in Launceston, die Stadt dient als Zwischenstopp zum Cradle Mountain National Park. Der Abendspaziergang durch das Zentrum zeigt uns eine Stadt, die ihre kolonialen Wurzeln bis heute behalten hat. Die Architektur erinnert an eine Western-Kulisse, es macht Spaß bei Sonnenuntergang durch die Straßen zu schlendern. Die australische Kaffeekultur hat es bis hierher geschafft und wir gucken uns noch am Abend ein Cafe fürs Frühstück aus. Das Sweetbrew entpuppt sich dann auch als perfekte Wahl, wir genießen ein Birchermüsli mit Rhabarberkompott und einen genialen Salat aus Buchweizennudeln, Miso, Sesam, Koriander und wildem Broccoli. Dass der Kaffee herausragend schmeckt, ist an so einem Ort dann auch keine Überrschung mehr.

Tasmanische Wildnis: Cradle Mountain National Park

Wir folgen der klassischen 5-Tages-Tasmanien-Tour und fahren weiter in Richtung Westen. Der Cradle Mountain Nationalpark gehört nach Aussage vieler Reisender zum Pflichtprogramm und wir verlassen uns auf die Erfahrungswerte von Blogs und Freunden. Für den Weg bis zum Gipfel des Cradle Mountains benötigt man viel Zeit, Bergsteiger-Schuhwerk und Fitness. Wir – in leichten Nike Free unterwegs – entscheiden uns für die harmlose Variante der Tour zu Marions Lookout, die aber immerhin den Blick auf den Gipfel bereithält. Wir parken auf dem großen Besucherparkplatz am Visitors Centre und kaufen das Nationalpark-Ticket für 30 Dollar. Wer mehr als zwei Nationalparks besuchen will, sollte hier gleich das große Ticket für 60 Dollar kaufen, das unbegrenzten Eintritt in alle Parks der Insel erlaubt. Der Shuttlebus fährt bis 19 Uhr alle 5-10 Minuten zwischen dem unteren Parkplatz und dem höchstgelegenen Wanderparkplatz hin und her. Wir steigen bei Ronnys Creek aus und biegen rechts ab, dem hölzernen Steg folgend.

Buttongrass und schwarze Seen

Wieder bietet sich eine für uns neue Szenerie aus langhalmigen Buttongrass-Gewächsen, knorrigen, blätterlosen Bäumen, grünen Büschen und bunten Blüten. Der Großteil des Weges führt über stabile Holzstege, die ein paar Zentimeter über der Grasnarbe verlaufen, sodass man sich keine Sorgen über nasse Füße oder Schlangen machen muss. Schlangen sehen wir in Tasmanien ohnehin lediglich zwei, beide machen sich gerade aus dem Staub, als wir sie entdecken. Wer einigermaßen aufmerksam durch die Natur geht, festes Schuhwerk trägt und sich auf den angelegten Pfaden bewegt, braucht sich um Schlangen keine Gedanken zu machen – zumal Tasmanien lediglich drei Schlangenarten beheimatet. Die sind zwar allesamt giftig, der letzte tödliche Schlangenbiss auf der Insel liegt allerdings schon über 40 Jahre zurück – passierte aber im Cradle Nationalpark. Unser Busfahrer erzählt die Geschichte mehr belustigt als warnend.

Wanderung zu Marions Lookout

Wir folgen der Beschilderung und der netten Beratung im Besucherzentrum hinauf zu Marions Lookout. Dabei passieren wir den Crater Lake, mit seinem dunklen, fast schon schwarzen Wasser. Die Buttongräser am Grund enthalten Teeine, die durch das Wasser gelöst werden und für die außergewöhnliche Färbung verantwortlich sind. Die letzten zwanzig Minuten zum Aussichtspunkt sind steil und erfordern ein wenig Handeinsatz beim Klettern, der Ausblick ist spektakulär: Auf der einen Seite das Cradle Mountain Massiv, auf der anderen Seite die Seen Crater Lake und Dove Lake. Wer viel Ausdauer und Wandermuse hat, kann hier den Overland-Track einschlagen, der vom Aussichtspunkt über den Gipfel von Cradle Mountain weiter in Richtung Lake St.Clair führt. Für diese Wanderung sollte man allerdings 4-5 Tage einplanen.

Geisterstadt Queenstown

In Queenstown, nahe der Westküstenstadt Strahan landen wir nur durch Zufall. Da alle günstigen Unterkünfte in der Nähe von Cradle Mountain ausverkauft sind, fahren wir am selben Tag noch weiter nach Süden und übernachten im äußerst angestaubten Comfort Inn Queenstown. Der Abend ín diesem kleinen Städtchen ist für uns ein denkwürdiger, er kommt unerwartet. Von Queenstown erwarten wir uns ein kleines Provinznest im Grünen – und landen in einer Geisterstadt. Queenstown – das lernen wir erst später – war einst Zentrum des Kupferabbaus Tasmaniens, damals eine extrem reiche Stadt. Diese Zeit liegt allerdings weit in der Vergangenheit und zurückgeblieben ist eine menschenlos wirkende Siedlung mit Häuserfassaden wie aus einem Western-Klassiker, umgeben von kupferroten Bergen.

Auf die Frage, wo wir denn zu Abend essen könnten, bekommen wir eine klare Antwort: Es gibt nur ein Restaurant, im ersten Hotel am „Stadtplatz“. Der Dining-Room ist mit Teppich ausgelegt, hat eine hohen Decke und ist holzvertäfelt. Wir essen Chicken Schnitzel und Carbonara und fühlen uns versetzt in eine andere Zeit und Welt. Obwohl der Aufenthalt in Queenstown weder kulinarische, menschliche oder landschaftliche Highlights mit sich bringt – er bereichert unseren Roadtrip auf seltsame Weise, durch einen jähen Bruch mit der tasmanischen Idylle. Queenstown ist heute bekannt als Tor zur tasmanischen „Western Wilderness“, vom Bahnhof im Ortskern starten die Züge des Wilderness Trains, mit dem man in Tagestouren die weitestgehend unerforschten Tiefen des Tasmanischen Westens aus dem Zugfenstern erahnen kann.

Cradle Mountain nach Lake St.Clair

Unser letzter Tag beginnt ganz im Zeichen der Erlebnisse des Vortages. Wir verlassen Queenstown durch das Gebiet der stillgelegten Kupferminen und lernen erst jetzt anhand von Schautaufeln und Aussichtspunkten, welche wirtschaftliche Bedeutung der Stadt vor Jahrzehnten noch zukam. Der Blick in die aufgebrochenen Gesteinsschichten und der offengelegte Blick in die Geschichte der Region fügt unserer Tour eine ganz unerwartete Facette hinzu.

Unsere Tagesetappe steht im Zeichen kleiner Spaziergänge, der erste zu einem kleinen Wasserfall (Nelson Falls – 20 Minuten return). Die zweite kleine Wanderung führt uns auf einen Aussichtspunkt (Donaghys Lookout, Bild oben) mit Blick über tasmanische Wildnis und entfernte Bergketten. Beide Wandertouren sind – wie auch unsere Tour am Wineglass Bay und am Cradle Mountain – Teil der „60 Great Short Walks“ die die australische Tourismusbehörde für Tasmanienreisende aufbereitet hat – als Website und als App fürs iPhone. Die Vorschläge sind sehr hilfreich und gut beschrieben. Grundsätzlich wird den wenigen Touristen, die wir hier sehen, ein hervorragend aufbereitetes Netz an Wander-Aktivitäten geboten. Wege sind sehr gut ausgebaut, perfekt beschildert, mit modernen Schautafeln bestückt und führen fast alle zu tollen Aussichtspunkten.

Lake St.Clair

Auf unserem Weg nach Tarraleah, wo wir übernachten werden, liegt auch der Lake St.Claire mit dem gleichnamigen Nationalpark. Auch hier wird die übliche Nationalpark-Gebühr fällig. Bei grauer Wolkenkulisse und Temperaturen um die 20 Grad, zeigt sich uns Tasmanien dort von einer wilderen Seite. Das Seeufer ist gespickt von Felsen, kleinen Nadelbäumen und bizarren Treibholz-Gebilden. Wir schlendern ein Stück am See entlang, sind aber zu müde für eine ausgedehnte Wanderung. Wer Schottland mag, wird sich hier wohlfühlen. Der Park bietet eine reiche Auswahl an Pfaden durch raue tasmanische Wildnis mit Blick auf die Seenlandschaft.

Übernachtung in Tarraleah

Die Tour der Überraschungen hält für uns an, als wir an unserer Unterkunft ankommen. „Tarraleah Cottages“ klang für mich bei der Buchung mehr wie ein Campingplatz am Ortsrand, doch als wir die kleine Siedlung erreichen, verstehen wir langsam, dass Tarraleah kein Dorf, sondern eine einzige Feriensiedlung ist. Auf einem großen Gelände stehen opulent ausgestattete Hütten, kleine Cabins, Zelte und Camper, dazu ein Restaurant und – zu unserer Verwunderung – eine Schule und eine Kirche. Auch hier braucht es einige Zeit, um die Historie des Orts vollumfassend zu begreifen.

Dort, wo heute das idyllische Feriendorf liegt, stand zuvor eine Siedlung für Arbeiter der tasmanischen Wasserkraftwerke „Hydro“. Direkt hinter den letzten Wohnungen fällt ein Hang steil ab, dort liegen die dicken Rohre des Wasserkraftwerks, das man am Fuß des Bergs sehen kann. Die Arbeitersiedlung fiel der Automatisierung von Prozessen zum Opfer, die Kirche und die Schule blieben erhalten. Drumherum hat ein Investor ein Ferienidyll erschaffen, das Unterküfte aller Preissegmente anbietet. Obwohl hier ausschließlich Tourismus stattfindet, fühlt man sich wie in einem Provinzdorf. Um das Gelände führen kleine Wanderwege zwischen grasenden Tieren und Seen hindurch. Wir spannen den Rest des Tages auf der Wiese aus, gönnen uns abends ein (sehr gutes) Steak im Highlander Restaurant und schlafen gut in einer der Cabins.

Western Highlands nach Hobart

Die Fahrt zurück zum Flughafen nach Hobart dauert etwa zwei Stunden und sie ist gigantisch schön. Wir durchqueren die Western Highlands, die mich erst an das trockene Kalabrien und dann an die Toskana im Hochsommer erinnern, inklusive Zypressen. Wir saugen die letzten Augenblicke der Reise auf, die uns noch einmal ganz neue Anblicke bescheren. Dann kehren wir zurück in die Zivilisation Hobarts, mit einer Fülle an einzigartigen Eindrücken, deren Bandbreite ich nie erwartet hätte. Angefangen von der unbeschreiblich schönen Ostküste, verwunschenen Dschungelwäldern, trockener Steppe, grünen Wiesen und Ausblicken an jeder Ecke. Was würde ich beim nächsten Mal anders machen? Noch mehr Zeit an der Ostküste verbringen. Und mit riesiger Vorfreude anreisen.

Unsere Route auf Google Maps

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Poll Caren
5 Jahre zuvor

Vielen Dank für diese einfach tolle Reisebeschreibung, mit der man wirklich ganz viel anfangen kann. Interessant wäre noch zu wissen, was die Tage nun insgesamt gekostet haben um selbst
planen zu können, ob man es individuell oder über einen Reiseveranstalter bucht.

Toni
4 Jahre zuvor

Hey Ihr!
Super Bilder, ich bekomme Fernweh..
Wart ihr denn in Australien? Könntet Ihr mir Tipps geben, was ihr da gemacht habt. Wir wollen im Februar 2020 nach Australien, ich bin gerade in der Planung. Natürlich auch Tasmanien.

Walter
4 Jahre zuvor

… und mich würde noch interessieren, ob man das alles mit einem kleinen Auto erreichen kann, oder benötigt man einen 4WD?
Danke für die tolle Beschreibung
Walter