Restaurantnotizen: Sugarra in Bilbao – von alten Kühen und rauchigen Tomaten

Restaurantnotizen ist die Rubrik für noch warme Gedanken, direkt nach der Rückkehr vom Essen. Als Gedächtnisstütze für uns und zum Teilhaben für unsere Leser – ohne Anspruch auf Vollständigkeit und Hochglanz-Fotos. Heute: Ein lange gehegter Traum geht in Erfüllung: Fleisch von der alten Kuh am Ursprungsort dieses „Trends.“

Wie kam’s dazu?

Seit ich vor sechs Jahren begonnen habe, mich intensiver mit Fleischqualitäten zu beschäftigen, hat das Phänomen der „alten Kuh“ zunehmend an Bekanntheit gewonnen – auch in Deutschland. Es geht dabei um das unnachahmlich intensive Aroma alter Milchkühe, das den klassischen Steaks junger Tiere in Sachen Komplexität weit überlegen ist. Dabei spreche ich nicht von Dry Aging Noten, sondern vom Eigengeschmack des Fleischs, der durch das hohe Alter entsteht. Ich habe darüber schon mehrere Artikel geschrieben, dabei jedoch noch nie den Ursprungsort dieser Spezialität besucht. Im Baskenland serviert man schon seit Generationen das Fleisch alter Milchkühe, das Unternehmen Txogitxu hat das baskische Kulturgut als Produkt etabliert und in die ganze Welt transportiert.

Als klar ist, dass wir nach Bilbao reisen, mache ich mich auf die Suche nach einem Ort, wo dieses Fleisch in möglichst reiner und unprätentiöser Form serviert wird – quasi bereinigt um den touristischen Faktor. Fündig werde ich via Google Maps bei Asador Sugarra. Ein kleines Restaurant außerhalb des Zentrums, mit 4,8 Sternen bewertet. Die Karte verspricht genau das, was mir vorschwebt: Es gibt nur acht Gerichte, aus denen man bereits bei der Reservierung vorbestellen muss. Im Zentrum steht das Chuleton von der Vaca vieja. Bei Reservierung wird eine Anzahlung fällig. Die Website ist vorsintflutlich gestaltet, ich interpretiere das als absoluten Fokus auf das Wesentliche. Zwei Wochen vor Abreise ergattere ich nur noch einen Slot um 14.45 Uhr. Das wird spannend.

Was verspricht das Menü?

100% Produktfokus: Steak, Steak Tatar, Pulpo und Langustino als Hauptgerichte. Geräucherte Tomate und eingelegte, gegrillte rote Paprika als Beilagen – alles zubereitet auf einem Keramikgrill mit Holzkohle (Kamado). Dazu zwei Desserts und das war’s. Wir haben vorab Tomate, Paprika und Steak reserviert und trudeln um 14:30 ein.

Unsere Gänge im Sugarra

Das Restaurant hat genau vier Tische, wir nehmen im zweiten Stock im winzigen Gastraum Platz. Die Einrichtung: Pragmatisch, ein Beamer wirft ein Holzkohlefeuer an die Wand, darüber liegt baskischer Text. den ich nicht verstehe. Sicher ist nur: Er handelt von Fleisch.

Geräucherte Tomate mit Gazpacho

Zunächst kommt die Tomate. Hausherr Iker, der das Restaurant komplett alleine betreibt, erklärt uns in sehr gutem Englisch, was vor uns steht: Eine Ochsenherztomate, über Kirschholz geräuchert, darunter eine säuerlich abgeschmeckte Gazpacho aus Salat, grüner Paprika und Chili. Obenauf etwas grobes Meersalz, Schnittlauch und ein junger Maistrieb, der im Restaurant selbst gezogen wird.

Geschmacklich ist das eine Offenbarung: Die Tomate, die optisch schon wie Fleisch anmutet, hat eine herausragende Qualität und weckt durch den milden Kirschrauch unweigerlich weitere Fleisch-Assoziationen. Dabei ist der Rauch so dezent, dass das prägnante Aroma der sonnengereiften Top-Tomate klar durchscheint. Die Gazpacho ist mit viel Olivenöl emulgiert und wirkt wie ein Dressing, das würzt, säuert und die rauchige Süße perfekt einfasst. Das ist so simpel und gut, dass ich mir jetzt sicher bin: Auch das Fleisch wird ein großes Erlebnis.

Asador Iker serviert die Alte Kuh,

Kotelett von der alten Kuh

Das Steak kommt als Kotelett, bereits tranchiert und mit dem Knochen auf dem Teller serviert. Dazu bringt uns Iker einen Gasbrenner, auf dem ein Salzstein platziert ist. Warum? Das Steak ist auf einem Kamado Grill rare gebraten worden. Das heißt außen kräftige Röstspuren, der Rest des Steaks hat Zimmertemperatur und ist roh. Spätestens seitdem ich viel Zeit mit David Pietralla verbracht habe, weiß ich: Das ist perfekt: Je älter ein Tier, desto mehr Kollagen enthält das Fleisch. Je stärker man es brät, desto zäher wird es. Alte Tiere sind daher am zartesten, wenn möglichst große Teile des Muskel-Gewebes noch nicht durch Hitzekontakt kontrahiert wurden. Damit man dem Fleisch selbst punktuell etwas Wärme zufügen kann, steht der Salzstein bereit, der etwa 200 Grad heiß ist. Drei Sekunden von jeder Seite geben zusätzliche Röstaromen und spenden angenehme Wärme beim Mundkontakt.

Das Fleisch selbst ist 60 Tage gereift. Es stammt von einer Kuh, die etwa 8 Jahre alt war. Das leicht Absurde: Das Tier stammt aus Deutschland, wo die spanischen Fleisch-Spezialisten mittlerweile Jagd auf alte Tiere machen, weil jene im eigenen Land nicht mehr ausreichen. Da in Deutschland noch kaum Interesse an fetten alten Kühen besteht, wandern die Prachtexemplare ins Ausland. Und so esse ich in Bilbao ein Stück deutsche Simmentaler Kuh, die zur absoluten Perfektion gereift wurde.

Das Fleisch aus dem Rücken – ein Teil des Roastbeefs – ist so zart, wie ich es bisher von diesem Cut noch nie erlebt habe. Die Referenz-Textur ist ein Stück Thunfisch oder zartestes Rinderfilet, mit dem Unterschied, dass das Fleisch viel mehr Aroma in sich trägt. Darunter sind kaum Reifenoten, sondern vielmehr ein tiefer, süßlicher Fleischgeschmack. Das ist buttrig, cremig, vielleicht sogar ein klein wenig käsig.

Dazu gibt es Salz und sehr gute Pommes Frites. Aber es geht um das Fleisch – und das ist ein Ausnahmeerlebnis. Dabei darf man nicht vergessen, dass alte Kühe in den seltensten Fällen diese Qualität liefern. Es Bedarf perfekter Selektion und Reifung, damit am Ende ein Steak dieser Güteklasse auf dem Tisch liegt. Der Preis für die 1,3 Kilo (mit Knochen): 86 Euro. Das ist jeden Cent wert.

Nach dem Essen erzählt uns Iker von seinem Konzept und seinem Kampf um die besten Rücken von seinem Fleischhändler. Er erzählt, wie er immer wieder Rücken ablehnen muss, weil sie nicht die Qualität haben, die er sich wünscht. Und dass er deshalb die Vorbuchung der Gerichte eingeführt hat. Er möchte die Zutaten nicht auf Verdacht horten, sondern ganz bewusst die besten Qualitäten einkaufen und vorbereiten, für jeden einzelnen Gast. Das gilt für die Tomaten genauso wie für Fleisch und Langustinos. Das Interieur seines Ladens strahlt diesen Premium-Anspruch nicht auf den ersten Blick aus. Aber genau dieser 100%ige Fokus auf Produktqualität ist das, was mich kulinarisch glücklich begeistert.

Zum Dessert gibt’s Cuajada – eine mit Lab gestockte Milchspeise aus geräucherter Schafsmilch, mit Honig serviert. Dezent gesüßt, wieder mit dem markanten Kirschrauch aus dem Kamado-Grill. Ein würdiges Ende.

Ochsenherztomaten bester Qualität

Fazit zum Sugarra

Ich wünschte, es gäbe mehr dieser Orte: Man bezahlt nicht für Deko, Website oder Marketing, sondern ausschließlich für die Kompetenz des Kochs und die Qualität des Produkts. Wer Fleisch liebt, findet hier einen gut versteckten Pilgerort abseits der Touristenpfade. Ein Geheimtipp ist das allerdings nur für Besucher, erzählen uns zwei Einheimische am Nebentisch. Sie gönnen sich dieses Spektakel regelmäßig zu besonderen Anlässen. Geöffnet hat dashttps://sugarra.eus/nuestra-carta-geure-karta/ Sugarra nur Donnerstags bis Samstags – wir versuchen für den nächsten Tag nochmal einen Tisch zu ergattern, um die Karte komplett zu verkosten. Keine Chance – ohne Reservierung.

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