Schneckengehege

Christop Salanda und seine „Feinschneckerei“: Ein Tag in der Weinbergschneckenzucht

Als gebürtiger Franzose ist man ja quasi verpflichtet, Schnecken nicht nur als gefräßiges Ungeziefer zu sehen, sondern auch als Futter. Futter für einen selbst, wohl bemerkt. Dass das Thema Schnecken als Genussmittel im deutschsprachigen Raum polarisiert, ist dennoch nicht unbemerkt an mir vorbeigegangen: Die einen schwärmen von der meist Frankreich zugeordneten kulinarischen Kuriosität – sie gehöre eindeutig zu den wichtigsten Erkennungsmerkmalen des Frankophilen, genauso wie den Café Crème im Bistrot schön auf Französisch zu bestellen (Merci bien!) und wissend schmunzelnd aufklären zu können, dass diese ganze Froschschenkel-Geschichte ja ganz klar nur ein Klischee ist. Andere weisen hingegen darauf hin, dass Schnecken mit dem quasi nicht vorhandenen Eigenaroma wohl eher nicht wirklich als Delikatesse herhalten können – den Job übernimmt ja wohl eindeutig die Knoblauchbutter. Die letzte Kategorie Teilnehmer aus meiner nicht repräsentativen Umfrage lehnt das Thema Schnecken in Kombination mit Essen – ob nun im Tomatenbeet oder auf dem Teller – strikt ab.

Weinbergschnecke

Wenn euch Schnecken schmecken: Ab in Kärnten’s erste Schneckenzucht

Entsprechend ist meine heutige Geschichte wohl nicht für allgemeintauglich und sensiblen Schleim-Ablehnern wird geraten, sich nun zu verabschieden (mögt ihr aber vielleicht zumindest Miesmuscheln? Die gäbe es nämlich hier!). Alle anderen sind bestimmt genauso neugierig, wie ich es war, als ich im Programm unserer Pressereise am Wörthersee einen der ersten Programmpunkt las: „Besichtigung einer Schneckenfarm.“ Ja, wir hatten tatsächlich das Glück und die Ehre, Kärntens erste und einzige Schneckenfarm besuchen zu können. Ehrlich gesagt habe ich mir bisher selten bis gar keine Gedanken darüber gemacht, wo und wie die kleinen Tierchen überhaupt den Weg auf unsere Teller finden. Umso spannender war es also, Christoph Salanda in Krumpenbach all diese Fragen stellen zu können – bei schönstem Herbstwetter, einer Flasche gutem Wein und natürlich allerlei Feinem von der Schnecke.

Schneckengehege
Das Schneckengehege

Die Farm von Christoph entpuppt sich als eine wunderschöne, am Hang gelegene Traditionsvilla, die schon seit Generationen in den offensichtlich fürsorglichen Händen der Familie von Christophs Frau Sigrid liegt. Unterhalb des Hauses erstrecken sich ein paar Tausend Quadratmeter Wiese und Obstheine. Dort finden wir auch das, was uns hierher bringt: Das Schneckengehege. Auf den ersten Blick weckt das Gehege mehr Fragen, als es beantwortet: Schneckenmassen? Fehlanzeige. Zumindest so lange, bis wir uns trauen die erste der beiden 50 Zentimeter hohen Holzbalustraden vorsichtig zu übersteigen. In dem inneren Areal, das etwa 100 Quadratmeter umfasst, stehen in mehreren Reihen kurze Bretter lose an langen Querbalken gelehnt. An den Unterseiten, im Schatten, entdecken wir sie dann: Die Weinbergschnecken.

Schneckengehege
Christoph zeigt uns, wo sich die Schnecken vor der warmen Sonne verstecken

Mit dem Gedanken, eine eigene Tierzucht aufzubauen, spielte Christoph schon einige Jahre. Er ist Genussmensch und legt Wert auf kulinarische Regionalität und hohe Standards bei dem all dem, was er und seine Familie isst. Dass er 2018 seine ersten Zuchtschnecken in Italien kaufte, war – so sagt er – eine Art Bauchentscheidung, gepaart mit einem gewissen Mut, etwas Besonderes wagen zu wollen. Er meint: „Wachteln kann ja jeder.“

Kleintierhaltung Schneckenzucht

Von Schneckenzucht hatten Christoph und seine Frau bis dahin keine Ahnung, er besuchte deshalb einen Betrieb in der Nähe von Wien und ließ sich in die Basics einführen. Seine italienischen Weinbergschnecken brauchen gute 6 bis 8 Monate, um auf eine Größe von einer 2 Euro Münze zu kommen – das unterscheidet sie unter anderem von wilden Rassen, die für dieses Wachstum zwei Saisons benötigen.

Schneckenzucht

Rund 80.000 Schnecken im Jahr produziert Christoph und legt dabei wert auf beste Zuchtform. Das bedeutet in diesem Fall, dass die etwa 25.000 Zuchtschnecken nach dem Winter in ihr mit Gemüse bepflanztes Gehege gesetzt werden. Dort vergraben die Zwitter (Schnecken können sowohl den männlichen als auch den weiblichen Part der Reproduktion übernehmen) ihre Eier und verdrei- bis vierfachen ihre Population in wenigen Wochen. Auch Verluste gehören leider zum Alltag eines Züchters. Bei Weinbergschnecken verantworten sie die Igel, Raben, Mäuse oder Schlangen auf dem Gelände. Das ist auch der Grund, weshalb das Gehege von einer zusätzlichen, tief in die Erde verankerte Balustrade umgeben ist – so sollen zumindest Mäuse und Ratten auf Distanz gehalten werden. Als unabdingbarer Helfer erweist sich bei Christoph aber vor allem die Hauskatze, die unermüdlich um die Gehege streunt und sich wohl hier und da den Bauch vollschlägt – nicht an den Schnecken wohlbemerkt.

Schneckenzucht
Zum Schutz vor Vögeln, Ratten und Mäusen: Christoph’s Hauskatze zieht ihre Runden um’s Gehege

Aber auch die andere Richtung möchte verhindert werden: Mit einer Höchstgeschwindigkeit von etwa 4km wären die Tierchen durchaus in der Lage, ihre Stallungen einfach hinauf- und auf der anderen Seite wieder hinunterzuklettern. Verhindert wird dies mit einer Salzpaste, die im oberen Bereich der Balustrade aufgetragen wird: Erreicht die Schnecke den salzigen Streifen, wendet sie sich wohl oder übel wieder den weniger würzigen Gegenden zu.

Verarbeitung der Schnecken

Entnommen und „geschlachtet“ werden Schnecken nach strikten Regeln. Wie zum Beispiel Krebse, Hummer und dergleichen, werden sie in Sekundenschnelle durch Versenken in kochendem Wasser abgetötet. Im Gegensatz zu Krustentieren, müssen Schnecken jedoch zuvor eingedeckelt sein. Das Eindeckeln ist ein natürlicher Winterschlaf, der eintritt, sobald die Tierchen niedrigen Temperaturen ausgesetzt sind. Sie bilden eine Art Kalkdeckel über die Öffnung ihres Hauses, der Stoffwechsel wird heruntergefahren und der Puls sinkt von 15 Schlägen pro Sekunde auf etwa 5. Eine Woche vor dem „Schlachten“ leitet Christoph den Eindeckelungsprozess ein, indem er die entnommenen Schnecken in den kühlen Keller umlagert.

Kulinarische Kuriosität: Schneckenleber

Schneceknleber
Feinschneckerei

Was danach kommt, bedeutet laut Christian den größte Aufwand den gesamten Zuchtarbeit. Die Schnecken werden gute 10 Minuten gegart und anschließend einzeln und aus den Häusern gedreht. Der Gedärmesack wird entfernt und übrig bleiben Muskel und Leber. Leber höre ich euch fragen? Ich war genauso erstaunt – in meinem Unwissen um die kleinen Weichtiere hätte ich nicht einmal beschwören können, dass sie eine Leber besitzen, geschweige denn eine, die sich von Größe und allgemeiner Beschaffenheit für irgendeine Art kulinarische Ambition eignen könnte. Dass dies der Fall ist, davon konnte uns Christoph jedoch schnell überzeugen und servierte uns die kleinen eingerollten Lebern auf Buttertoast. Wider erwarten schmeckt Schneckenleber nicht – wie das Schneckenfleisch selbst – neutral, sondern angenehm würzig mit einem mürben Biss. Die Schneckenleber von Christoph ist ein hoch exklusives Produkt und er produziert sie nur in kleinsten Mengen. Das liegt natürlich daran, dass die Nachfrage (noch) gering ist, jedoch auch an der etwas aufwändigeren Mast, die die dafür ausgewählten Tiere durchlaufen: Vor dem Entnehmen werden die exklusiven Leberschnecken einige Zeit mit Thymian und Rosmarin gefüttert – dabei nehmen die Lebern einen Hauch Kräuteraroma an.

Schneckenleber
Schneckenleber: Christoph serviert uns frische Leber, die am Vortag entnommen und gekocht wurde und über Nacht in Öl mariniert wurden

Die Muskelpartie der Tierchen, also die Schnecken wie man sie ansonsten kennt, serviert uns Christoph ganz traditionell in einer Gewürzbutter – so zumindest sieht es auf den ersten Blick aus. Beim Probieren stellen wir schnell fest, dass auch hier das Credo gilt: Standard kann jeder. Und so landen auf den Schnecken gehobelte Trüffel, gereifter Parmigiano oder auch eine unglaublich ausgewogene Curry-Butter. Schnecke hin oder her, was soll bei den Zutaten schon schieflaufen, könnte man unken. Ich finde jedoch, dass das Fleisch durch die besondere Festigkeit und Textur (gekocht erinnert übrigens rein gar nichts mehr an die so gefürchtete Schleimigkeit) dem Gericht eine Einzigartigkeit verleiht, die es für mich auch in einer Blindverkostung erkennbar macht – bilde ich mir zumindest ein. Kurzum, Christophs Schnecken sind für uns ein Erlebnis.

Weinbergschnecke

Eine letzte Feinschnekerei (leider nicht mein Wortspiel, aber zu gut, um es nicht zu verwenden) bleibt uns leider verwehrt: Im Frühjahr sammelt Christoph auch kleine Mengen Schneckeneier und verarbeitet sie zu Schneckenkaviar. Ein kulinarisches Highlight, das bei den Spitzengastronomen rund um den Wöhrtersee hoch im Kurs steht. Bei uns landet der Kaviar auf der Merkliste und wir setzen darauf, es im Frühjahr irgendwie in die Finger und auf den Toast zu bekommen. Und wenn dafür ein Trip an den Wörthersee notwendig ist – umso besser!

Kontakt und Podcast

Christoph Salanda’s Feinschnekerei findet ihr in Krumpendorf am schönen Wörthersee. Auf der Website findet ihr Kontaktdaten und könnt euch nach rodukten oder auch Tatsings erkundigen – glaubt uns, es lohnt sich! Als etwas andere Fleischproduktion, hat David mit Christoph übrigens auch einen sehr unterhaltsamen Podcast für Fleischglück aufgenommen. Den findet ihr auf Spotify unter Der Fleischglück Podcast oder ganz oben im Artikel als Video.


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